BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.
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Alt Tellin ist überall!

30. März 2023 | BUND, Massentierhaltung, Nachhaltigkeit, Naturschutz, Ökolandbau

BUND: Eklatante Brandschutzverstöße / Kein Wiederaufbau in Alt Tellin!

Anlässlich des 2. Jahrestages der Brandkatastrophe in der Megastallanlage in Alt Tellin (Mecklenburg-Vorpommern) fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) strengere Brandschutzauflagen für große Tierhaltungsanlagen, um im Schadensfall die Rettung der Tiere zu ermöglichen.

In Alt Tellin konnten beim Brand der gigantischen Stallanlage am 30.März 2021 nicht einmal drei Prozent der Tiere gerettet werden, weil sich der Brand durch fehlende Brandmauern sehr schnell ausdehnte und die Stallgebäude aufgrund der billigen Konstruktionsweise in kurzer Zeit einstürzten. Insgesamt mehr als 60.000 Sauen, Ferkel und Zuchteber verendeten qualvoll. Die Behörden hatten großzügige Abweichungen von den Vorschriften der Landesbauordnung zugelassen und die Brandabschnitte 13 mal so groß genehmigt, wie es zulässig ist. Damit war es für die Feuerwehren unmöglich, wenigstens in einzelnen Abschnitten das Feuer abzuwehren und Tiere zu retten.

Das Land hatte seit mehr als einem Jahr einen entsprechenden Erlass zur Konkretisierung des Landesbauordnung angekündigt, der bislang nicht vorgelegt wurde. Verantwortlich dafür sind das Bauministerium und das Landwirtschaftsministerium M-V. Inzwischen wurden weitere große Stallanlagen wie die Schweinemastanlage für mehr als 20.000 Tiere in Suckwitz bei Krakow am See genehmigt. Laut BUND sind die vorgelegten Brandschutzkonzepte ähnlich unzureichend wie in Alt Tellin. Auch bei anderen bestehenden Stallanlagen haben die Gebäude laut BUND aufgrund der Bauklasse einen Feuerwiderstand von weniger als 30 Minuten und die Brandabschnitte sind deutlich größer als zulässig genehmigt worden. Eine Tierrettung sei damit so gut wie ausgeschlossen, so der BUND. Der BUND hatte dazu 2022 gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund und Greenpeace ein Gutachten[1] vorgelegt.

Die Vorsitzende des BUND in Mecklenburg-Vorpommern, Bettina Baier, fordert, in Alt Tellin keinen Wiederaufbau der Megastallanlage durch die Betreiber zuzulassen. Der BUND prüfe derzeit, ob ein Wiederaufbau rechtlich überhaupt möglich sei. Die von der Betreiberin LFD angekündigte „optimierte Form“ für einen Neubau sei in den Größenordnungen der LFD weder tier- noch umweltgerecht zu machen. Schweine brauchten Einstreu und Auslauf, so die BUND-Vorsitzende.

Mehr: siehe BUND-Hintergrund zur Brandkatstrophe Alt Tellin

Die BUND-Vorsitzende Bettina Baier wird zum Jahrestag der Brandkatastrophe der Megastallanlage am 30.03. 2023 um 16:00 Uhr zur Kundgebung am Brandplatz der abgebrannten Megastallanlage in Alt Tellin bei Neu Plötz vor Ort sein. Auf der Kundgebung wird die BUND-Landesvorsitzende dazu sprechen, wie es vor Ort weiter gehen kann und was der BUND gegen einen Wiederaufbau der Megastallanlage unternimmt.

Für Rückfragen: BUND-Landesgeschäftsstelle, T. 0385 521339-0, Julia Burgmann

 

BUND-Hintergrund

zum zweiten Jahrestag der Brandkatastrophe SZA Alt Tellin

Am 30. März 2021 verbrannten und erstickten über 60.000 Tiere in der Megastallanlage in Alt Tellin. Auch zwei Jahre nach Brandkatastrophe hat die Politik offenbar nichts dazugelernt.

Wie geht es weiter in Alt Tellin?

Offenbar verfolgt die Betreiberin LFD Pläne, die Anlage wieder aufzubauen. Am Standort der Megastallanlage in Alt Tellin wurden fast alle Reste der Brandruine beräumt. Die Betreiberin LFD / Terra Grundwerte hat im Dezember angekündigt, die Anlage in „optimierter Form“ wieder aufbauen zu wollen. Man warte nur noch ab, wie man sich mit der Versicherung einigt. Der BUND prüft derzeit, ob ein Wiederaufbau rechtlich überhaupt möglich ist. Der BUND hat das Land aufgerufen, einen Wiederaufbau nicht zuzulassen. Denn es gibt keine „optimierte“ Massentierhaltung. Unter dem Stichwort „Schweinestall 4.0“ finden sich vor allem digitalisierte Überwachungsprozesse für die Tierhaltung. Schweine brauchen Einstreu, Wühlmöglichkeiten und Auslauf. Das ist bei den vom Ferkelproduzenten LFD vorgesehenen Größenordnungen der Anlage und an diesem Standort nicht möglich.

Aber die LFD lässt nicht so einfach eine Investition brach liegen. Die dank der Feuerwehren verschonte Biogasanlage wird weiter betrieben und soll sogar erweitert werden. Der Gemeinde wurden neue Versprechen über Fernwärmeheizungen gemacht. Gülle gibt es genug – allein aus der nächsten Megastallanlage der LFD in Brenkenhof bei Anklam.

Was ist aus der Strafanzeige des BUND gegen den Betreiber geworden?

Die Strafanzeigen des BUND gegen die Betreiberin der Sauenanlage Alt Tellin sind von der Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2023 eingestellt worden.

Grund 1: Es sei  keine Zündquelle für den Brand ermittelbar gewesen!

Der BUND sagt dazu: Das leuchtet jedem ein, der die Brandruinen gesehen hat. Falls es Spuren gab, sind diese einfach verbrannt!

Grund 2: Die fehlerhaften Einschätzungen des Brandgutachters zur Brandausbreitung wären nicht vorsätzlich gewesen. 

Zur Erinnerung: Die Betreiberin der Megastallanlage und ihr Gutachter hatten angegeben, dass es max. 10 Minuten brennen könne, weil nur sehr wenig brennbares Material da sei und falls es doch brennen würde, die vorhandene Lüftungsanlage dafür sorgen würde, dass die Schweine aufgrund einer „raucharmen Schicht“ nicht geschädigt werden könnten.

Die Behörden hatten zudem großzügige Abweichungen von den Vorschriften der Landesbauordnung zugelassen und die Brandabschnitte 13 mal so groß genehmigt, wie es zulässig ist: 21.790 qm statt 1.600 qm. Damit war es für die Feuerwehren unmöglich, wenigstens in einzelnen Abschnitten das Feuer abzuwehren. Hinzu kommt, dass die tragenden Wände und Decken in einer völlig unzureichenden Konstruktion (Feuerwiderstandsdauer lediglich 30 Minuten) ausgeführt wurden, so dass die Ställe bei Eintreffen der Feuerwehr bereits größtenteils im Einsturz begriffen waren.

 

Der BUND prüft jetzt die Gutachten, die der Staatsanwaltschaft für die Entscheidung vorlagen. Brandschutz und Rettung der Tiere sind besonders in Stallanlagen mit industrieller Größenordnung ein großes Problem. Auch deshalb klagt der BUND derzeit gegen die Genehmigung der Massentierhaltungsanlage Suckwitz bei Krakow am See. Dort sollen 25.000 Schweine im Jahr gemästet werden. Auch bei dieser Schweinemastanlage wurden Vorgaben für einen wirksamen Brandschutz vernachlässigt. Auch nach den Brandereignissen der Megastallanlage in Alt Tellin sehen die Behörden keinen Änderungsbedarf für einen wirksamen Brandschutz in Suckwitz. Einwände und ein Widerspruch des BUND wurden abgewiesen.

Was ist aus der Klage des BUND gegen die Genehmigung der Megastallanlage in Alt Tellin geworden?

Die Klage wurde durch das Gericht verschleppt. Nachdem die Verhandlung 2017 nach dem Thema Brandschutz unterbrochen wurde, gab es keine neue Ladung. Der BUND hält diese Klage nach wie vor aufrecht. Die Gegenseite hat nun vorgetragen, dass die Klage sich mit dem Abbrand erledigt hätte. Der BUND und der Tierschutzbund prüfen dazu die Rechtslage.

Wie geht es weiter? Welche Schlüsse haben Politik und Verwaltung aus der Katastrophe in Alt Tellin gezogen?

Die Politik bearbeitet das Thema gar nicht, die Verwaltung arbeitet äußerst schleppend. Inzwischen sind weitere Megastallanlagen genehmigt worden – wie z. B. in Suckwitz. Die LFD betreibt weitere Stallanlagen in Brenkenhof bei Anklam und in Fahrbinde südlich von Schwerin. Auch diese Ställe weisen ähnliche Defizite auf, so dass sich eine Brandkatastrophe wie in Alt-Tellin jederzeit auch in diesen Ställen wiederholen kann.

Der BUND macht seit vielen Jahren in Genehmigungsverfahren geltend, dass der Brandschutz der Tiere nicht gewährleistet ist und die gesetzlichen Vorgaben missachtet werden. Brandabschnitte müssen kleiner sein und die Gebäude müssen dem Feuer widerstehen können! Der BUND hat zur Vermeidung künftiger Brand-Katastrophen in großen Tierhaltungsanlagen gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund und Greenpeace im März 2022 ein umfangreiches Rechtsgutachten zu den notwendigen Änderungen und zum Vollzug der Vorschriften des Baurechtes in M-V vorgelegt.

Seit Anfang 2022 tagte zum Baurecht eine Interministerielle Arbeitsgruppe der Ministerien für Landwirtschaft und Bau in M-V. Den Vorsitz hatte damals das Landwirtschaftsministerium[2].

Immer wieder fragte der BUND nach den Ergebnissen. Es wurde versprochen, den BUND einzubeziehen. Das ist bis heute nicht geschehen!

Am 22. März 2023 kündigte Minister Pegel (SPD), der u. a. für Bau- und Brandschutz zuständig ist, im Landtag an, dass „in den nächsten Wochen“ ein mit Experten und Feuerwehren erarbeiteter Erlass in weitere Abstimmungen zwischen den Ministerien gehen soll. Darin sollen etwa Rettungswege für die Tiere festgelegt werden, die offengehalten werden müssen. Die Halter sollen demnach auch bestimmte Löschwassermengen vorhalten müssen. Die Außenanlagen sollen so gestaltet werden, dass die Feuerwehr sich im Brandfall optimal aufstellen kann.[3]

Fazit des BUND: Rettungswege für die Tiere bringen nichts, wenn niemand die Tiere heraustreiben kann, weil die Stallgebäude nach kurzer Zeit einstürzen. Die Feuerwehr hat keine Chance vor Ort, wenn sich die Brände unkontrollierbar ausbreiten und Dachkonstruktionen einbrechen. In Alt Tellin konnten nicht einmal drei Prozent der Tiere gerettet werden, weil sich der Brand ohne die Brandmauern sehr schnell ausdehnte und die Stallgebäude aufgrund der billigen Konstruktionsweise sehr schnell einstürzten.

Bessere Gebäude mit höheren Feuersicherheitsklassen sind teurer. Offenbar soll es aber  weitergehen mit der Billighaltung und das wird auch bei neuen Ställen „4.0“ der LFD in Alt Tellin so bleiben, solange das Land da keinen Riegel vorschiebt.

 


[1] WERNER 2022: Unzureichender Brandschutz in industriellen Tierställen in M-V Erhebliche Vollzugsdefizite und Handlungspflichten der Behörden

 

[2] Abteilung 5 - Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung im Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern

 

[3] https://www.landtag-mv.de/dpa-ticker?tx_w3dpa_dpa%5Baction%5D=detail&tx_w3dpa_dpa%5Bcontroller%5D=Dpa&tx_w3dpa_dpa%5Buid%5D=61391&cHash=10fd6e1acc92f8209556c00f75840df2

 

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