Weichen stellen für ein klimagerechtes Schwerin
Ein lebenswichtiges Ziel unserer Zivilisation ist es, die Zukunft der Menschen sozial gerecht in den planetaren Grenzen zu gestalten. Um es konkreter zu fassen, wurden die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen formuliert (SDGs). Der BUND Schwerin setzt sich hierfür ein und formuliert im Folgenden Forderungen über internationale und nationale Schritte hinaus, damit dieses Ziel für die heutigen und künftigen Schweriner erreicht wird. Weiterhin muss eine breite Diskussion den Prozess begleiten, da es eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist. In einem fortlaufenden Prozess wird die Gruppe Gespräche suchen und die Position weiter entwickeln.
Wenn Sie Ideen haben oder die Umsetzung unterstützen wollen, kontaktieren Sie gerne bund.schwerin(at)bund.net.
Klimagerecht = 2035 keine Emissionen mehr
Wie im IPCC-Sonderbericht dargelegt, ist die Begrenzung der globalen Klimaerwärmung auf 1,5° C über der vorindustriellen Zeit von großer Bedeutung für das Wohlergehen der Menschen und die Aufrechterhaltung funktionierender Ökosysteme. Mit dem Pariser Abkommen hat sich auch Deutschland dazu bekannt und versprochen, seinen Anteil beizutragen. Da die Atmosphäre ein weltweites Gut ist, auf das jeder Mensch das gleiche Recht hat, aber auch Einfluss ausübt, kann Klimaschutz nur erfolgreich sein, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Für die noch mögliche Erreichung des 1,5°-Ziels sind die Treibhausgas-Emissionen deutschlandweit spätestens 2030 bis 2040 auf Netto-Null zu reduzieren (BUND 2019). Die Industriestaaten sind verpflichtet, voranzugehen, da sie historisch erheblich stärker zum Klimawandel beigetragen haben (Verursacherprinzip) und günstigere Voraussetzungen für die Transformation der Wirtschaft haben (Leistungsfähigkeitsprinzip; mehr dazu in BUND 2019). Die Landeshauptstadt Schwerin hat mit ihrem Beschluss am 27.01.2020 dieses anerkannt und sich verpflichtet ihren Beitrag zu leisten, indem sie bis 2035 ihre Emissionen auf Netto-Null reduziert. Der BUND Schwerin beglückwünscht die Stadtvertreter zu dieser veranwortungsbewussten Entscheidung. Von der Innovationskraft der dafür nötigen Umgestaltung kann Schwerin sehr profitieren.
So wird Schwerin klimagerecht:
Die Entwicklung Schwerins wird bisher nach den Zielen Wirtschaftswachstum und Schuldenabbau ausgerichtet, was zu einer sozialen und ökologischen Katastrophe führt. Schwerin muss sich stattdessen auf das Wohlergehen der Menschen fokusieren. Dazu soll dies neu definiert und realitätsnah gemessen werden. Der OECD Regional Well-Being Index könnte ein Ansatz sein. Dabei sind die Bereiche „ungleiche Lebensverhältnisse in verschiedenen Stadtteilen“ und „öffentlicher Zugang zu Seeufern“ zu berücksichtigen, da diese das Wohlergehen der Schweriner*innen besonders prägen.
Die Zeit drängt sehr beim Klimaschutz, da mit jedem vertanen Tag zusätzliche Emissionen in die Atmosphäre gelangen, die noch 100 Jahre den Planeten zusätzlich aufheizen. Darum sind Handlungen zur Vermeidung von Emissionen jetzt sofort auf allen Ebenen nötig, auch bevor ein neues Konzept vorliegt. Die Stadtpolitiker und Verwaltung müssen vorbildlich handeln und auch die Unternehmer und Privatleute müssen mit allen ihnen im Moment zur Verfügung stehenden Mitteln Emissionen einsparen und Weichen für eine emissionsfreie Zukunft stellen.
Durch die Verzögerungen beim bisherigen Klimaschutz weltweit mussten die Klimaschutzziele verschärft werden. Um diese Ziele erreichen zu können, ist ein neues Schweriner Konzept erforderlich. Dabei ist den Schwächen in der Umsetzung und der Konzeption im Vergleich zum bisherigen städtischen Konzept zu begegnen.
- Wissenschaftlich korrekte Berechnung der tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen (für das Startjahr 2020 und Maßnahmen) nach dem Konsum-Prinzip, d.h. inklusive Emissionen für importierte Güter aus dem In- und Ausland. Dies waren in 2016 10,84 t CO2 pro Deutscher (OwiD 2019). Dabei sind neben CO2 die weiteren relevanten Treibhausgase zu berücksichtigen.
- Das Ziel der Netto-Null-Emissionen ist genau zu definieren. Welche Emissionen sind unvermeidbar (Sockelemissionen), z.B. durch nicht vermeidbare Tierhaltung? Es muss eine Balance hergestellt werden zwischen CO2-Bindung, ggf. jenseits des Stadtgebietes, und Sockelemissionen.
- Ausarbeiten des Potentials für CO2-Bindung durch naturverträgliche Maßnahmen, Berechnung der Mengen und der Dauer der Fixierung. Dabei ist zu erwarten, dass das Potential nur wenigen Prozentpunkten der bisherigen jährlichen Emissionen entspricht.
- Integration der Maßnahmen zur Klimaanpassung (Adaption). Kurze Bewertung jeder Maßnahme nicht nur in Bezug der Klimaschutzwirkung und Kosten, sondern neben Adaption auch der weiteren Effekte auf Biodiversität, Flächenverlust / Landdegradation, Landschaftswasserhaushalt, soziale Segregation, regionale Versorgung mit Energie, Nahrung und weiteren Produkten. In einigen Fällen werden Maßnahmen mehrere Herausforderungen zugleich lösen.
- Evaluation der Umsetzung der bisherigen Konzepte für Klimaschutz und Anpassung. Was wurde warum umgesetzt / nicht umgesetzt?
- Adaptives Management: Die Klimaschutz-Bemühungen müssen stets evaluiert und angepasst werden. Ein einmalig erstelltes Konzept kann nur der Beginn davon sein, sollte aber schon dafür die Grundlagen schaffen, z.B. wie Erfolge gemessen und dokumentiert werden und wie Misserfolgen begegnet wird.
- Die Beteiligung der Schweriner*innen ist sicherzustellen für die Entwicklung des Klimaschutzkonzeptes aber auch wesentlicher Entscheidungen in diesem Bereich wie Bauleitplanung und Haushaltsplanung z.B. als Zukunftswerkstätte oder Bürgerdialoge.
Die Stadt und ihre Eigenbetriebe sollen ihre Finanzmittel dringend nur auf ethisch vertretbare und damit auch klimafreundliche Weise anlegen (Divestment). Sonst bewirkt das Geld das Gegenteil aller sonstigen Bemühungen.
Fördermittel und Konjunkturprogramme sind so auszulegen, dass nachhaltige Unternehmen gefördert werden und klimaschädliche Unternehmen bis 2035 die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsweise erreichen.
Ein suffizienter Lebensstil und effiziente Energienutzung sind die Hälfte der Energiewende, denn auch erneuerbare Energien sind nicht ohne negative Folgen unbegrenzt verfügbar. Eine besonders große Rolle spielt die Wärmedämmung von Gebäuden, da hier 35 % der Primärenergie in Deutschland verbraucht werden (UBA 2019). Ab sofort müssen alle Neubauten klimaneutral sein, was in Satzungen geregelt werden kann. Bis 2030 soll die energetische Sanierung der Bestandsbauten intensiv verfolgt werden. Eine Erhebung des Wärmeverbrauchs des Gebäudebestands ermöglicht eine Zielsetzung, wieviel in welchem Zeitraum saniert werden muss, eine Priorisierung und schließlich Erfolgskontrolle. Die Stadt und ihre Betriebe sollen hierbei vorbildhaft vorangehen, aber auch Möglichkeiten für Beratung, finanzielle Förderungen und Verpflichtungen für private Eigentümer sind zu ermitteln.
Stromspar-Potentiale sind ebenfalls zu prüfen wie Beschränkung von Beleuchtungen auf ein erforderliches Maß und Verwendung von sparsamen LED-Lampen, Reduktion von Datenverkehr im Internet durch schlanken Webauftritt.
Suffiziente Lebensstile sollen durch die Stadt aktiv gefördert werden (s. auch Punkte Erneuerbare Energieversorgung aus der Region!, Mobil sein! und Stadtentwicklung für die Zukunft!). Befragungen sind geeignet, um Hindernisse, die den Bürger*innen dabei im Wege sind zu ermitteln. Suffizienz meint dabei das rechte Maß zu finden, z.B. eine Wohnung nutzen, in der man zufrieden leben kann ohne mehr Fläche als nötig mitzzubezahlen und mitzuheizen.
Die Energieversorgung Schwerins aus der Region durch Sonne und Wind ermöglicht als Nebeneffekt eine Wertschöpfung vor Ort und die Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Bis 2035 soll die Energie zu 100 % erneuerbar sein, bis 2030 zu mind. 80 %. Die Stadtwerke (SWS) sollen einen Strom- und Gas-Tarif unter dem Grünen Strom-Label anbieten. Alle städtischen Gebäude sollen diese Tarife beziehen. Dazu sind die Stadtwerke für den Bau von Photovoltaik (PV)-Anlagen auf möglichst allen geeigneten Dachflächen zu beauftragen und für den Bau von Windkraft-Anlagen in der Region in dem erforderlichen Maß. Dabei ist die Bürgerenergie zu unterstützen, z.B. Bekanntmachung des Bürgerfonds der SWS. Hürden für Nutzung von Sonnenkollektoren und PV-Anlagen in Mietshäusern sind abzubauen (Tipp: Energiewende selber machen mit Mini-Solaranlagen). Die Stadt kann hier direkt über die WGS Mietern von 10.203 Wohnungen modernes, klimagerechtes Wohnen ermöglichen. Für den Ersatz von Fernwärme aus fossilen Brennstoffen sind Alternativen aufzubauen, wie mit der Geothermie begonnen. Die Biogasanlage ist auf Reststoff-Verwertung umzustellen, da der Einsatz von fossiler Energie in der Produktion von Maissilage und Roggenschrot in der industriellen Landwirtschaft (Mineraldünger, Pestizide, Betriebsstoffe) keine klimaneutrale Energieerzeugung ermöglicht. Der Einbau von neuen Heizungsanlagen, die nur mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, ist sofort zu unterbinden, was in Satzungen über Baugebiete geregelt werden kann (s. auch Punkt Stadtentwicklung für die Zukunft!). Eine Umrüstung auf Wärmepumpen ist dagegen zu fördern, ab 2030 besonders intensiv.
Die Möglichkeiten eines intelligenten Stromverbrauchs angepasst an Zeiten hoher Stromproduktion sind auszuarbeiten. Statt des bisherigen Tarifs city.aktiv der SWS, der starr in Tag- und Nachtstrom trennt, könnte hier ein Tarif angepasst an Stromproduktionszeiten eingeführt werden. Bereits durch Information der Bürger*innen, wann viel oder wenig Strom vorhanden ist, können Verbrauch und Produktion angeglichen werden.
Für eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien (EE) sind Speicher notwendig. Der Batteriespeicher der WEMAG in Schwerin kann nur vergleichsweise kurze Zeiträume ausgleichen. Für den Ausgleich über längere Zeiträume ist eine Speicherung des Stroms in Form von Power-to-X, also als Wärme, Gas oder flüssigem Brennstoff erfolgversprechend. Hierdrunter ist nach Ergebnissen des Forschungszentrums Jülich Wasserstoff der Energieträger, der im Mix der Zukunft die größte Rolle spielen wird (Markewitz et al. 2019). Bis 2040 würden demnach mehr als 6 Mio t Wasserstoff in Deutschland benötigt werden, 36 % der Pkw und 72 % des Güterverkehrs würden mit Wasserstoff fahren (ebd.). Dadurch wird eine Sektorkopplung, also die Verbindung zwischen Strom- und Wärmeversorgung und Mobilität erreicht. Die Einrichtung der dafür notwendigen Infrastruktur, auch durch Umwidmung von Gas-Infrastruktur muss auch in Schwerin umgesetzt werden.
Auch im Bereich der Mobilität gilt: Vermeidung vor Umstellung auf klimagerechte Verkehrsträger (s. auch Punkt Stadtentwicklung für die Zukunft!). Für eine Minimierung des motorisierten Individualverkehrs wird der Radverkehr und der Nahverkehr gestärkt.
Radverkehr in der Stadt ist zu stärken. Dafür fehlen in erster Linie sichere, durchgängige Radwege. Die Gefährdung von Radfahrern zwischen parkenden Autos und motorisiertem Verkehr muss überall abgeschafft werden. Eine konsequente Vermittlung des Sicherheitsabstandes beim Überholen von Radfahrern kann Leben retten. Die häufigere Ahndung von Regelverstößen wie gefährdende Überholmanöver ist überfällig. Beim Winterdienst sind Radwege zuerst zu räumen. Für Touristen aber auch Schweriner sollte ein Angebot von Leihfahrzeugen mit Rädern, inklusive Lastenrädern, und Autos mit EE z.B. für Umzüge aufgebaut werden.
Um allen Bürger*innen Mobilität in der Stadt zu ermöglichen, soll der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und entgeltfrei bereitgestellt werden. Er ist komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Mit der Straßenbahn und ersten E-Bussen ist ein Anfang gemacht. Es ist technologieoffen zu prüfen, wie der Nahverkehr auf dem Hauptstrecken mit dem geringsten Ressourcenverbrauch gewährleistet werden kann. Eine Reaktivierung ehemaliger Straßenbahn-Strecken, auch Neubauten auf einem Teil der Strecken, oder Oberleitungs-Busse sind interessante Alternativen, da kaum Batterien benötigt werden. Park & Ride-Angebote müssen ausgebaut und attraktiver gestaltet werden, Autoverkehr in der Stadt dagegen reduziert werden. Parkgebühren sind stadtweit einzuführen und anzuheben auf 6 € auf 2 Stunden. Die stadtweit geltenden Gebühren sind intensiv bekannt zu machen, um Suchverkehr nach günstigeren Plätzen zu vermeiden. Einige Parkplätze je Straße sollen für kurzzeitiges Be- und Entladen zur Verfügung gestellt werden, da das die Nutzung von Leihfahrzeugen erleichtert.
Auch Verkehre im Bereich Freizeit und Tourismus müssen auf erneuerbare Energie umgestellt werden, soweit sie erforderlich sind und bleiben sollen: die Fahrgastschiffahrt, Stadtrundfahrten, Pfaffenteich-Fähre, und private Motorboote.
Alle Fahrzeuge der Stadt und städtischen Betriebe sind auf Antriebe mit erneuerbaren Energien, vorwiegend Strom, umzurüsten oder beim turnusgemäßen Austausch zu ersetzen. Der Einsatz von Lastenrädern für kleinere Lasten ist zu erwägen.
Der Lieferverkehr kann durch kluge Konzepte und Nutzung von Lastenrädern und Fahrzeugen mit erneuerbaren Energien klimagerecht und weniger gesundheitsschädlich werden. Auch wenn die Rahmenbedingungen noch zu wünschen übrig lassen, kann Schwerin dies schon heute voranbringen. Hilfreiche Erfahrungen und Förderprogramme sind im Projekt „Klimafreundlicher Lieferverkehr für saubere und lebenswerte Städte" zusammengetragen.
Durch innovative Stadtentwicklung hat Schwerin die Möglichkeit, große Vorteile für das Wohlergehen der Bürger inklusive Klimaschutz zu erreichen. Dabei sollte sie sich von diesen Grundsätzen leiten lassen:
- Stadt der kurzen Wege! Wohnen, Arbeit und Leben im Quartier ermöglichen, Pendeln vermeiden.
- keine Neuversiegelung! (Ausnahmen nur, wenn andere zuvor versiegelte Flächen der Natur zurück gegeben werden.) Nutzung von flächensparenden Bauweisen.
- Sanierung vor Neubau!
- Neubauten nur nach neuster Generation! effiziente Wohnformen, Passivhaus-Standard, Ausnutzung der Potentiale für PV, Sonnenkollektoren und Begrünung (Beispiel Klimaschutzfassade MA 48)
- Teilen statt Kaufen! Um die Sharing Economy zu fördern sind Voraussetzungen zu schaffen wie Stellplätze für gemeinsame Fahrzeuge, Waschkeller, Räume für selten genutzte Haushaltsgeräte.
Regionale Wirtschaftskreisläufe erhöhen die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegen erhebliche Störungen, und sichern die Existenz der Menschen vor Ort. Neben erneuerbaren Energien (s. Punkt Erneuerbare Energien aus der Region!) sind auch Lebensmittel und andere Produkte des täglichen Bedarfs in der Region nachhaltig produzierbar. Für welche Produktkategorien welcher Bereich als regional für Schwerin gelten kann, ist festzulegen.
Eine Ernährung der Bevölkerung in der Metropolregion Hamburg (100 km Umkreis um Hamburg) mit regionalen, ökologisch produzierten Lebensmitteln ist möglich, wie Sarah Joseph gezeigt hat (Joseph 2017). Dazu sei eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung notwendig hin zu mehr Hülsenfrüchten und weniger Fleisch. Um dies zu befördern, sollte die Stadt als ersten Schritt in verwaltungseigenen Kantinen, Kitas und Schulen die Versorgung nach diesen Kriterien anbieten. Dies kann sie auch für Kantinen des Landes und privater Anbieter anregen und alle Bürger*innen einladen mitzumachen.
Die Stärkung der regionalen Produktion erfordert Zugang zu Ackerland für bäuerliche Betriebe, Erhalt oder Neugründung verarbeitender Betriebe wie Mühle und Schlachthof, existenzsichernde Preise. Die Stadt Schwerin kann dies durch die Gründung einer Regionalwert AG unterstützen. Unbedingt sollte sie auf städtischen Flächen auf eine resiliente, klimaangepasste Landwirtschaft und Kleingarten-Bewirtschaftung bestehen. Dies umfasst Humus-Aufbau, permanente Bodenbedeckung, Pestizid- und Mineraldüngerverbot, ggf. Paludikultur auf nassen Flächen. Grünland ist dauerhaft zu erhalten durch Weidetierhaltung.
Der BUND fordert eine konsequente Umsetzung einer nachhaltigen Ressourcen- und Stoffpolitik unter besonderer Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips (s. dazu BUND 2019b). Die Abfallhierarchie ist konsequent zu beachten: Vermeiden hat Vorrang vor Wiederverwendung vor Recycling vor Verwertung vor Entsorgung. Dies ist mit dem Ziel „von der Wiege zur Wiege“ schon bei der Produktion zu beachten und durch ein Lifecycle-Assessment zu analysieren. Bei der Ansiedlung von Industrie und Gewerbe in Schwerin, soll die Stadt Unternehmen bevorzugen, die durch solch ein Assessment und darauf aufbauende Optimierung nachhaltig wirtschaften. Bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum wurde bereits ein Verbot von Einweg-Verpackungen für die Ausgabe von Speisen und Getränken erlassen. Die Einrichtung eines Pfandsystems für Mehrwegbecher und Geschirr, dass bei jedem Verkäufer von Lebensmitteln zum Mitnehmen wieder abgegeben werden kann, kann Müll vermeiden. Möglichkeiten für Reparaturen soll die Stadt fördern, z.B. indem sie Repair-Cafés unterstützt und bekannt macht. Besonders im Bereich Elektronik fehlt es an Lösungen. Im Bereich Wiederverwendung können kreative Möglichkeiten für neue Nutzungen auch durch Bildungsangebote für Upcycling an der Volkshochschule und der Designschule gefördert werden. Ein Kaufhaus für Gebrauchtes und Upcycling-Produkte sollte entstehen wie das ReTuna in Eskilstuna.
Für eine bessere Nutzung von Abfällen als neue Ressourcen ist der Recycling-Anteil zu erhöhen. Die Wertstofftonne sollte den Anteil der erfassten Kunststoffe und Metalle erhöhen. Die Sortierung und Wiedernutzung sollte ebenfalls regional erfolgen. Schwerin kann hier seine Geschichte als Standort der Plastik- und Metallverarbeitenden Industrie nutzen. Ein geringes Aufkommen von Restmüll wird sich trotz der Bio- und Wertstofftonne sowie Papier- und Glaserfassung nicht vermeiden lassen. Dieses ist dann regional unter größter Effizienz und Umweltschutzstandards energetisch zu nutzen, nicht zu exportieren. Müll aus der Landschaft und den Seen ist fachgerecht zu entsorgen und die dafür auflaufenden Kosten publik zu machen mit dem Aufruf an die Bevölkerung, Müll korrekt zu entsorgen. Der jährliche Frühjahrsputz der Stadt ist dafür ein guter Anfang. Durch häufigere Kontrollen an bekannten Problem-Punkten soll illegale Müllentsorgung häufiger geahndet werden. Neben dem Bußgeld sind auch die Entsorgungskosten dem Täter aufzuerlegen.
Gesunde Ökosysteme wie Wälder, Wiesen und Seen tragen entscheidend dazu bei, die Lebensgrundlagen für uns Menschen inklusive der Biodiversität zu erhalten. Sie können Kohlenstoff binden und so zum Klimaschutz beitragen. Stressfaktoren durch den Klimawandel wie z.B. die anhaltende Dürre werden besser verkraftet. Die naturbasierten Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung sind auszunutzen. Dazu zählt eine Bewirtschaftung der Waldflächen, die die Kohlenstoff-Bindung erhöht und die stoffliche Nutzung von Holz (Baumaterial) der energetischen vorzieht. In Feuchtgebieten und Seen ist Wasser stärker zurück zu halten. Auf Feuchtwiesen kann eine Nutzungsänderung erforderlich werden, wenn zwischenzeitlich stark entwässert wurde. Moorböden dürfen aus Klimaschutzgründen nicht entwässert und zerstört werden, selbst wenn an der Oberfläche kein naturschutzrelevantes Biotop vorhanden ist. Ein durchgängiger Biotopverbund ist unter dem Aspekt der schnellen Veränderung der klimatischen Faktoren von besonderer Bedeutung.
Es sollten Gebiete für Naturschutz nach dem Prozessschutz-Ansatz definiert werden und als solche kommuniziert werden. Es sollten Bereiche der Naturschutzgebiete Kaninchenwerder, Ziegelwerder und Wickendorfer Moor dafür ausgewählt werden. Die geplante Ausweisung des Naturschutzgebiet Wickendorfer Moor ist umzusetzen.
Im Stadtgebiet ist der Baumbestand zu erhalten und zu vergrößern. Baumfällungen und auffällige Baumschnitte auf städtischem Grund sollten nur durch nachgewiesene Gefährdung zu begründen sein, nicht aber durch optische Vorlieben. Solche Maßnahmen müssen öffentlich klar begründet werden.
Blühwiesen auf städtischen Grünflächen, aber auch auf den landeseigenen innerstädischen Flächen, sind angesichts des Rückgangs der Artenvielfalt im Frühjahr 2020 ein Gebot der Stunde. Mit relativ geringem Aufwand und bei gutem Willen könnten an attraktiven Stellen der Hauptstadt, etwa vor dem Marstall, landesweit wirksame Zeichen gesetzt werden, wie dies engagierte Schulen auf dem Land vormachen.
Die allgemeinen Naturschutzgesetze sowie die in Natura 2000-Gebieten geltenden Managementpläne sind von Stadtverwaltung und Eigenbetrieben stets konsequent einzuhalten. Dies gilt von der Natur- und Landschaftsschutzpflege in Kleingärten bis zu umfangreichen Planungen von Landeshauptstadt und LGE Mecklenburg-Vorpommern GmbH. Ausnahmen z.B. vom Biotopschutz sind der Vermeidung von Gefahren und der Lösung von Zielkonflikten innerhalb des Naturschutzes vorzubehalten.
Um diese Schritte auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft leichter gehen zu können, sollte Schwerin einem Netzwerk gleichgesinnter Städte beitreten. In dem ICLEI – Local Governments for Sustainability kann ein produktiver Austausch stattfinden, z.B. mit Schwerins Partnerstadt Växjö und mit der Stadt Hamburg, zu deren Metropolregion Schwerin zählt.
Literatur
Klimagerechtigkeit. BUND Position 64. Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., AutorInnen: Felix Ekardt, Jutta Wieding, Marianne Henkel, Lutz Weischer; 2. aktualisierte Auflage 2019. Online: http://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/klimagerechtigkeit/
Herausforderungen für eine nachhaltige Stoffpolitik. Notwendigkeit einer Transformation im globalen Kontext. BUND Position 69. Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., AutorInnen: Markus Große-Ophoff, Klaus Günter Steinhäuser, Ralph H. Ahrens, Uwe Schneidewind, Henning Friege, Arnim von Gleich, Eva Scholl, Patricia Cameron, Manuel Fernández. 1. Auflage Oktober 2019. Online: www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/position/position_stoffpolitik.pdf
Klimafreundlicher Lieferverkehr für saubere und lebenswerte Städte. Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., AutorInnen: Jens Hilgenberg, Kirsten Havers. Online: www.bund.net/themen/mobilitaet/lieferverkehr/
Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. In: 1,5° C globale Erwärmung. Ein IPCC‐Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5° C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut. Deutsche Übersetzung auf Basis der Version vom 8.10.2018 und unter Berücksichtigung von Korrekturmeldungen des IPCC bis zum 14.11.2018. Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, ProClim, Österreichisches Umweltbundesamt, Bonn/Bern/Wien, November2018. Online: www.ipcc.ch/sr15/
Can Regional Organic Agriculture Feed the Regional Community: A Case Study for Hamburg and North Germany. Master-Thesis in Resource Efficiency in Architecture and Urban Planning, HafenCity University, Hamburg.
Kosteneffiziente und klimagerechte Transformationsstrategien für das deutsche Energiesystem bis zum Jahr 2050. Detailergebnisse. Institut für Energie- und Klimaforschung, Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH. Präsentation auf 14. Master Class Course Conference "Renewable Energies", Eberswalde, Germany, 04.12.2019. Online: juser.fz-juelich.de/record/874170
Per capita CO2 emissions (Global Carbon Project; Gapminder; UN). Our World in Data. Online: ourworldindata.org/grapher/prod-cons-co2-per-capita
Energiesparende Gebäude. Umweltbundesamt. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energiesparen/energiesparende-gebaeude