Schutz für die letzten Halme

Schilfverluste haben verschiedene Ursachen. Teilweise werden die Halme so oft abgefressen, dass die Pflanzen keine gesunden Bestände mehr bilden können. Besonders einheimische Gänse und neu etablierte Bisam und Nutria fressen in einigen Bereichen zu oft und zu viel. Wir sehen die akute Gefahr, dass Röhrichte an manchen Stellen vollständig verschwinden und sich nicht mehr wieder ausbreiten können, weil über längere Distanz keine gesunden Pflanzen mehr wachsen.
Für solche Stellen wurden in einer Studie Sofortmaßnahmen empfohlen: Nach Erfahrungen an anderen Seen mit ähnlichen Herausforderungen und in der Mueßer Bucht ist es effektiv, die Schilfbestände in einer bestimmten Art einzuzäunen. So können die eingezäunten Pflanzen zwar nicht mehr allen Tieren als Lebensraum dienen, aber das Schilf kann sich erholen. Wenn der Bewuchs nach einigen Jahren wieder kräftig ist, kann er sich wieder ausbreiten und der Zaun entfernt werden. Ein wenig angeknabbert zu werden, schadet den Pflanzen nicht.

Leider konnten diese Maßnahmen durch die zuständigen Naturschutzbehörden nicht sofort umgesetzt werden. In einer Zusammenarbeit hat darum der Naturschutzbeauftragte der Stadt, Herr Knaak, im Winter 2019/20 einen kleinen Restbestand Schilf im Naturschutzgebiet Ziegelwerder eingezäunt. Bereits im ersten Sommer war ein Effekt zu beobachten: innerhalb des Zauns ist das Schilf gut gewachsen, außerhalb mehrfach im Sommer abgefressen. Wir beobachten weiter, wie sich der Bestand entwickelt.
Diese Maßnahme wird finanziert aus den Spenden des Schweriner Seentrails. Dieses Event möchte das nachhaltigste seiner Art werden. Denn Trail- bzw. Naturlaufläufer_innen laufen gerne in der intakten Natur.
Warum ist Schilf so besonders?

Schilf ist eine ganz besondere Pflanze. Denn sie ist eigentlich eine Landpflanze. Sie hat sich aber so angepasst, dass sie auf feuchtem Boden und manchmal sogar bis in 2 m Wassertiefe wachsen kann. Meistens ist bei etwa 1 m Schluss. Dadurch kann der aufmerksame Landschaftbetrachter die Wassertiefe anhand der Pflanzen ablesen. Am besten gedeiht sie in dem Bereich, der je nach Wasserstand zeitweise überstaut und im Frühsommer nur nass ist.
Schilf „schnorchelt“: Luftröhren im Stängel transportieren Sauerstoff zu den Wurzeln unter Wasser. Blätter und Stängel sterben zwar jedes Jahr ab, aber die Luftzufuhr für den Wurzelbereich bleibt lebenswichtig. Auch dieses Altschilf bietet Windschutz und Deckung. Aus den Wurzeln sprießen im Frühjahr wieder neue Stängel. Und sie bilden neue Ausläufer. In einem Rekord-Tempo von bis zu 3 cm am Tag können sie sich schnell bis zu 20 m ausbreiten. Oft schaffen es die neuen Sprosse erst im späten Mai wieder bis über die Wasseroberfläche.
Fakten zum Schilf
Schilf | Phragmites australis |
Merkmale: |
• Süßgras mit Rispe • bis 4 m hoch • blüht von Juli bis September • Haarkranz statt Blatthäutchen |
Ökologische Bedeutung: | Lebensraum für viele Arten, einige auf Schilf spezialisierte wie Schilf-Eulen (Nachtfalter) |
Nutzen für den Menschen: |
• Schutz vor Ufererosion • Wasserreinigung, Abbau von Krankheitserregern wie Coli-Bakterien • Landschaftsbild • Baumaterial z.B. für Reetdächer |

- Röhrichtkartierung 2017 des Schweriner Außensees und Entwicklung seit 1953 im Auftrag des BUND Schwerin
- Röhrichtentwicklung und Schutzmaßnahmen der Landeshauptstadt Schwerin
- Grobes Röhrichtschutz- und Entwicklungskonzept der Seeufer im Schweriner Stadtgebiet von 1953 – 2016 im Auftrag der Landeshauptstadt Schwerin
- Studie zum Schutz und zur Vermehrung von Röhrichtzonen als Habitaträume von Wasservögeln innerhalb des Europäischen Vogelschutzgebietes „Schweriner Seen“ (DE 2235-402) im Auftrag des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) Westmecklenburg
- Schutz und Entwicklung aquatischer Röhrichte. Ein Leitfaden für die Praxis. LLUR Schleswig-Holstein
Woher rührt das Schilfsterben?

Seit etwa den 1970er Jahren wird an Mitteleuropas Seen ein so genanntes Schilfsterben beobachtet: Ein von See zu See unterschiedlich starker Rückgang der Röhrichte. Durch Kartierungen, zuletzt 2016/2017, und Auswertung von Luftbildern von 1953 wurde ein Rückgang am Schweriner Außensee um 78 % der Fläche festgestellt. Röhrichte sind meistens nur noch wenige Meter bis 25 m breit, früher überwiegend 100 m. An den anderen Seen Schwerins ist der Rückgang geringer, doch auch erheblich. Nur der Medeweger See bietet weiterhin einen durchgehenden, breiten Röhrichtgürtel bis zur maximal möglichen Wassertiefe von 1 bis 2 m.
Schlüsselfaktoren

- Nährstoffanreicherung (bis in die 1990er Jahre),
- Regulierung des Wasserstands mit geringen Schwankungen und Folgewirkungen, insbesondere starker Uferabtrag (Erosion),
- Verbiss und Beweidung durch Bisam, Nutria, Wildgänse und Rinder.
- Beschattung und Ausbreitung von Gehölzen,
- Vorkommen von Eipilzen (einer Pflanzenkrankheit),
- direkte Schädigungen durch Uferverbau und Freizeitnutzung.
