Durch die besonderen Gegebenheiten der Ostsee ist die dort lebende Tier- und Pflanzenwelt in ihrer Zusammensetzung manchmal eigenartig und vor allem einzigartig – wo sonst findet man Wale und Robben neben Schwänen, Salzwasserfische wie Hering, Dorsch und Sprotte neben Süßwasserfischen wie beispielsweise Flussbarsch und Hecht.
Die Ostsee bietet Tieren und Pflanzen einen ganz besonderen Lebensraum, der unter anderem mit vielfältigen Küstenformen, Flachwasserbereichen, Riffen, Boddenlandschaften, Sandbänken und Windwatten ausgestattet ist. Es gibt weiche und harte Meeresböden, und unterschiedliche Klimaverhältnisse. Das Wasser wird von Westen nach Osten immer süßer (der Salzgehalt nimmt also ab), es gibt Bereiche mit zu wenig Sauerstoff, und Sprungschichten der Temperatur und des Salzgehalts.
Die Tier- und Pflanzenwelt der Ostsee wird vor allem durch den Salzgehalt bestimmt. Im Westen ist das Wasser zwar weniger salzig als in der Nordsee, aber immer noch deutlich salziger als im Osten. Je geringer der Salzgehalt nach Osten und auch nach Norden wird, desto weniger Arten gibt es. Auch die Temperatur ist ein wichtiger Faktor – Muscheln benötigen in einigen Gebieten der Ostsee im Winter zum Beispiel einen überlebenswichtigen Mechanismen, die sie vor dem erfrieren schützen.
Da die Ostsee im Vergleich zu den großen Ozeanen unserer Welt sehr jung ist, konnte die Evolution noch kaum eigene Ostsee-Tiere und –Pflanzen hervorbringen. Die meisten Bewohner der Ostsee sind irgendwann über die Nordsee eingewandert.
Im Folgenden werden einige Meeressäuger, Vögel, Fische, Muscheln und Schnecken, Quallen und Plankton, sowie Seegräser und Algen vorgestellt, die an der deutschen Ostseeküste zu finden sind.
Externe Quellen
G. Rheinheimer (1996): Meereskunde der Ostsee. Springer-Verlag Berlin Heidelberg
In der Ostsee sind Schweinswale, Kegelrobben, Seehunde, die Ostseeringelrobbe und Fischotter heimisch. Fischotter sind keine direkten Meeressäuger, ihr Lebensraum schließt die Ostseeküste aber stark mit ein. Andere Meeressäugerarten, die hin und wieder gesichtet werden, sind nur gelegentlich auftretende Irrgäste.
Schweinswale
Die Schweinswalpopulation in der Ostsee ist vom Aussterben bedroht und deshalb unter Schutz gestellt. Von den kleinen, maximal zwei Meter langen Zahnwalen gibt es nur noch etwa 450 in der Ostsee, obwohl sie bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts sehr zahlreich waren. Leider nimmt die Population weiter ab, Meeresverschmutzung und Fischerei haben die eleganten Fischjäger an den Rand der Ausrottung getrieben. Schweinswale sind die einzige sich in der Ostsee fortpflanzende Walart. Heutzutage sind sie vor allem noch in dänischen und, etwas seltener, in deutschen Gewässern anzutreffen. Die östliche Population, von Rügen bis in den Bottnischen Meerbusen hinein verbreitet, ist praktisch verschwunden. Schweinswale, die auch in anderen kühl-gemäßigten bis kühlen Küstenregionen der Nordhalbkugel vorkommen, bevorzugen flache Küstengewässer, Buchten und Flussmündungen. Sie leben allein oder in kleinen Gruppen und in der Regel sieht man von ihnen nicht viel mehr als gelegentlich die kurze, dreieckige, schwarze Rückenfinne. Im Frühjahr folgen sie gerne den ziehenden Heringsschwärmen. Leider sind diese und andere Fische auch von uns Menschen begehrt – Stellnetze der Fischerei, in denen sich Schweinswale verheddern, werden den kleinen Walen allzu oft zum Verhängnis. Um die Schweinswale zu schützen, werden unter anderem Meeresschutzgebiete eingerichtet, man bemüht sich, die Qualitiät wichtiger Lebensräume zu erhalten und man versucht, die Fischfangmethoden schweinswalfreundlich zu optimieren. Trotz allem tut sich die Population sehr schwer, sich zu erholen. Um die Schweinswale noch besser schützen und bei der Erholung ihrer Art unterstützen zu können ist ein umfangreiches Monitoring notwenig. Helfen kann jeder durch die Meldung von Sichtungen und auch Totfunden bei der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger e.V.. (Weitere Informationen hier)
Robben
Auch Robben sind an unseren Küsten seltenere Gäste als sie es früher einmal waren. Manchmal halten sich Kegelrobben an den vorpommerschen Boddengewässern auf, seltener sieht man Seehunde. Sehr weit im Norden der Ostsee leben Ostseeringelrobben. Früher waren alle Populationen sehr viel größer als heute, aber durch exzessive Jagd wurden sie fast ausgerottet und verloren ihre zur Stabilisierung der Ostseepopulationen wichtige genetische Vielfalt. Auch wenn sie heute weitgehend unter Schutz stehen, erholen sich die Robben nur langsam. Unter anderem, weil ihre Lebensräume verschmutzt sind, weil die Fischbestände durch kommerziellen Fang stark reduziert wurden und weil die Tiere viele ihrer Ruhe- und Liegeplätze an die Industrialisierung und den Tourismus verloren haben.
Kegelrobben
Kegelrobben sind vor allem in der zentralen und nördlichen Ostsee zu Hause, an unserer Küste sind sie heute seltene Gäste. Vor etwa 80 Jahren wurden sie an der südlichen Ostseeküste und damit auch in Deutschland als vermeintliche Konkurrenten der Fischerei ausgerottet. Robbenbestände, die in anderen Bereichen der Ostsee überlebten, machten die Schadstoffanreicherungen im marinen Nahrungsnetz zunehmend zu schaffen. Zum Glück haben sich mittlerweile die Schadstoffsituation in der Ostsee, die Einstellung und die Politik gegenüber diesen Tieren verbessert und neben einem Jagdverbot wurden Schutzgebiete eingerichtet. Seit etwa 30 Jahren werden langsam wieder mehr Kegelrobben beobachtet. Man erkennt sie gut an ihrem kegelförmigen, langgestreckten Gesichtsprofil. Die Männchen werden über zwei Meter lang und bis zu 300 Kilogramm schwer. Die Weibchen sind etwas kleiner. Ihre langhaarigen, flauschig weißen Jungen bringen sie sowohl an der Küste, als auch auf auf treibenden Eisschollen oder Packeis zur Welt.
Seehunde
Seehunde sind die seltenste Robbenart in der Ostsee. Eigentlich sind Seehunde an unserer deutschen Ostseeküste heimisch, aber Bejagung, Störungen und Meeresverschmutzung haben die beliebten Tiere weitestgehend verschwinden lassen. Eine Ostseepopulation lebt im Kalmarsund an der südwestschwedischen Küste. Laut einer Veröffentlichung des Schwedischen Museum of Natural History konnten 2008 etwa 600 Tiere beobachtet werden. Trifft man an unserer deutschen Küste auf einen Seehund, gehört dieser in der Regel genauso wie Seehunde im Kattegat zu den im Atlantik lebenden Tieren und ist nur zu Besuch. Seehunde sind etwas kleiner als Kegelrobben und lassen sich aus der Ferne durch ihre rundere Kopfform von diesen unterscheiden. In der Wismarbucht treffen Seehunde und Kegelrobben aufeinander.
Ringelrobben
Die Ostseeringelrobben, die heute noch im Bottnischen und Finnischen Meerbusen leben, haben einen arktisch-marinen Ursprung und sind quasi Relikte der letzten Eiszeit. Im 19. Jahrhundert umfasste die Population noch Hunderttausende an Tieren, heute gibt es nur noch wenige Tausend. An der deutschen Küste sind diese Tiere nicht heimisch und sie verirren sich nur sehr selten in die hiesigen Gewässer.
Fischotter
Fischotter haben sich von Süßwasserlebensräumen an die Ostseeküste ausgebreitet und kommen dementsprechend vor allem dort an der Küste vor, wo Süßwassergebiete im Landesinneren in der Nähe sind. Süßwasser ist notwendig, damit sich die Tiere das Salz aus dem Pelz waschen können und dieses seine Isolationsfähigkeit behält. Fischotter jagen hauptsächlich im Wasser nach Fisch, gelegentlich fressen sie auch Krebstiere, Amphibien, Vögel, kleine Säuger und Insekten. An Land suchen sie sich geschützte Fleckchen über dem Boden um auszuruhen. An der deutschen Küste leben Seeotter zum Beispiel auf Rügen, in den Boddengegenden und auf dem Ruden.
Externe Quellen:
G. Rheinheimer (1996): Meereskunde der Ostsee. Springer-Verlag Berlin Heidelberg;
H. Härkönen, E. Isakson (2010): Status of harbour seals (Phoca vitulina) in the Baltic proper. NAMMCO Sci. Publ. 8: 71-76;
Der Ostsee-Schweinswal braucht unseren Schutz! – eine Broschüre von Coalition Clean Baltic, Green Federation GAJA und ASCOBANS;
HELCOM Red List Marine Mammal Expert Group 2013. Species Information Sheet Lutra lutra
Die Ostsee bietet Platz für eine reichhaltige Auswahl an verschiedenen Vögeln. Viele im Ostseegebiet vorkommende Vogelarten sind Küstenvögel, die sowohl den Küstenbereich als auch das Binnenland zur Nahrungssuche nutzen. Dazu gehören zum Beispiel die Seeschwalben oder Möwen wie die Mantelmöwe, die Heringsmöwe, die Silbermöwe oder die Sturmmöwe. Seeschwalben bilden Brutkolonien auf ruhigen Inseln und Stränden und stoßen auf ihren Jagdflügen blitzschnell aus der Luft ins Wasser hinab. Möwen findet man überall an den Stränden und in touristischen Gebieten haben sie auch menschliche Nahrung als Futterquelle für sich entdeckt. Kormorane kann man ebenfalls an der Ostseeküste beobachten.
Stockenten, Flussseeschwalben, Prachttaucher, Lachmöwen und Schwäne leben eigentlich an Binnenseen und Flüssen, sind aber ebenso typisch für die Ostseeküste. Parallel mit der Aussüßung der Ostsee nach Norden und Osten nimmt ihr Auftreten zu.
Die meisten Küstenvögel sind Bodenbrüter und wählen Flachküsten als ihre Brutgebiete, wo Salzwiesen, Sand- und Kiesstrände, Strandwälle, Dünen und Strandseen Bau- und Versteckmöglichkeiten für die Nester bieten. Für die Ostseestrände sind viele Arten von Watvögeln charakteristisch, zum Beispiel Austernfischer, Rotschenkel, Kampfläufer und Säbelschnäbler. Sie sind leicht an ihren langen Beinen und Schnäbeln zu erkennen.
Die Ostsee ist aber nicht nur Brutgebiet, sondern auch ein herausragend wichtiges Überwinterungsgebiet für viele Vogelarten:
Meeresenten, vor allem Eisenten, Eiderenten und Trauerenten und viele andere Zugvögel überwintern die arktische Kälte in der südlichen Ostsee. Sie tauchen über Sandbänken und Flachwasserzonen nach Muscheln und anderen Kleintieren. Tauchgänge bis in zehn Meter Tiefe sind für diese Tiere ein Kinderspiel, im Bedarfsfall schaffen sie das Dreifache.
Neben den Wintergästen legen Millionen von Zugvögeln aus den nordasiatischen Tundren an der nahrungsreichen Ostseeküste einen Zwischenstopp ein. Leider sind viele Vögel nur noch in Schutzgebieten zu beobachten, denn nur dort finden sie Ruhe zum Brüten, Mausern und zur Nahrungssuche.
Die bekanntesten gefiederten Gäste der Küste sind sicher die Kraniche. Zu Zehntausenden kommen die majestätischen Vögel alljährlich auf dem Zug an die Ostseeküste, vor allem in die Boddenlandschaft zwischen Rügen und der Halbinsel Zingst. Täglich wechseln sie – unter lautem und kilometerweit hörbarem trompetenden Rufen – von ihren an Land gelegenen Nahrungsflächen auf die vor dem Ufer im Flachwasser befindlichen Schlafplätze.
Externe Quelle:
G. Rheinheimer (1996): Meereskunde der Ostsee. Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Im brackigen Wasser der Ostsee kommen nur etwa 100 verschiedene Fischarten vor, darunter etwa 70 Meeresfische und 33 Süßwasserfische. Ihre Verteilung ist abhängig vom Salzgehalt des jeweiligen Seegebiets und wird von Westen nach Osten weniger. Im Westen leben mehr Salzwasserfische, im Osten mehr Süßwasserfische. Im Vergleich zu marinen Wirbellosen (Schnecken, Quallen, Würmer) und Algen kommen Fische in der mittleren und östlichen Ostsee in relativ großer Artenzahl vor. Vielleicht liegt dies daran, dass die vorkommenden Arten einerseits mit Salzgehaltsunterschieden gut umgehen können und andererseits schnell ihren Aufenthaltsort über größere Entfernungen ändern können, wenn die Lebensverhältnisse irgendwo anders besser oder am Ausgangsort schlechter werden.
Meeresfische, die salzhaltiges Wasser benötigen, findet man überwiegend im Übergangsbereich zur Nordsee und maximal bis in die zentrale Ostsee. Typische Vertreter sind neben Plattfischen wie Flundern und Schollen die kommerziell wichtigen Arten Hering, Dorsch und Sprotte. Darüber hinaus sind in der Ostsee Grundelarten und schlank-elegante Seenadeln zu finden, Riffbarsche, farbige Knurrhähne und Petermännchen, sowie seltsam anmutende Fische wie Seeskorpione, Scheibenbäuche oder Bandfische.
Plattfische liegen auf einer Seite ihres Körpers und ihr Kopf wirkt meistens etwas „verrutscht“. Das liegt an der Seitenlage der Fische und daran, dass im Laufe ihrer Entwicklung ein Auge auf die gegenüberliegende Seite wandert, sodass Schollen, Flundern und Co beide Augen oben auf ihren Körpern haben.
Heringe sind die einzigen Meeresfische, die sich in der gesamten Ostsee vermehren können und entsprechend überall vorkommen. Sie sind schon seit mehr als tausend Jahren beliebte und wichtige Speisefische und dienten in Salz konserviert schon früh Seefahrern als Proviant.
Dorsche brauchen im Gegensatz zu Heringen salzhaltiges und sauerstoffreiches Wasser zur Fortpflanzung, sonst können sich ihre Eier nicht zu Jungfischen entwickeln und sinken stattdessen unfertig zum Meeresgrund. Die Laichplätze der Dorsche liegen deshalb vor allem in der südlichen und südwestlichen Ostsee, wo Salz- und Sauerstoffgehalt oft noch hoch genug sind. Dorsche sind Räuber und zählen unter anderem Heringe und Sprotten zu ihrer Beute. Der Name „Dorsch“ kommt übrigens von „Dörrfisch“, also Trockenfisch, als welcher er schon bei den Wikingern bekannt war.
Sprotten sind eine Heringsart, die traditionell Fischerfamilien den Lebensunterhalt sicherte. Heringe und Sprotten sind Schwarmfische und ernähren sich von tierischem Plankton.
Die Süßwasserfische kommen in den salzärmeren Gebieten der Ostsee vor, insbesondere im nordöstlichen Teil der Ostsee und in den Küstengewässern. Hierzu zählen beispielsweise Flussbarsche, Zander, Hechte, Äschen, Rotfedern, Stichlinge und Groppen.
Flussbarsche, beliebt auf dem Teller und bei Anglern, sind Jäger unter Wasser. Während die Jungtiere eher Garnelen, Muscheln und Schnecken fressen, erbeuten die ausgewachsenen Tiere andere Fische. Auch Hechte sind Raubfische und man erkennt sie gut an ihrem typischen Entenschnabel. Als Einzelgänger suchen sie sich ein eigenes Territorium, das sie verteidigen und durch Kotstückchen markieren. Stichlinge üben sich ebenfalls in Verteidigung – hier bauen die Männchen ein Nest für den Nachwuchs, das sie bewachen und um das sie sich kümmern, solange der Nachwuchs in den Eiern heranreift.
Weiterhin kommen wandernde Fischarten in der Ostsee vor, so zum Beispiel der Lachs, die Meerforelle oder der Aal. Lachse laichen in Flüssen ab, leben aber eigentlich in salzhaltigem Wasser. Wilde Lachse können bei ihren jährlichen Reisen tausende von Kilometern zurücklegen, nur die ersten Lebensjahre verbringen sie vollständig an ihren Geburtsorten. In der Ostsee sind diese Raubfische sehr selten geworden, da viele Flüsse inzwischen bewirtschaftet werden und verschmutzt sind. Außerdem stellen die Verbauung von Flussläufen mit Wasserkraftanlagen oder Staustufen unüberwindbare Hindernisse für Lachse dar. Weil man auf Lachse als Speisefische nicht verzichten möchte, werden Lachse heutzutage häufig in Aquakulturen gezüchtet. Die rote Farbe ihres Fleisches erhalten sie durch ihre Nahrung. Im natürlichen Lebensraum sind das Sprotten, Heringe und die am stärksten für die rote Farbe verantwortlichen Krebse. Je mehr Krebse gefressen werden, desto röter das Fleisch.
Aale haben einen zu den Lachsen umgekehrten Rhythmus: Sie laichen im salzhaltigen Nordatlantik, leben aber eigentlich in Flüssen und Seen. Die erwachsenen Tiere legen wie die Lachse auf ihren Reisen von den Fortpflanzungs- zu den Nahrungsgebieten mehrere Tausend Kilometer zurück. Die langlebigen Fische sind ebenfalls wie die Lachse nicht mehr häufig in der Ostsee zu finden und weltweit vom Aussterben bedroht. Während ihres Lebens durchlaufen sie mehrere Farbstufen: von transparent in jungen Jahren wechseln sie für mehrere Jahre zu gelblich und silberfarben bis sie schließlich geschlechtsreif werden und einen dunklen Rücken mit einem silberfarbenen Bauch erhalten.
Früher gab es auch Störe in der Ostsee, diese gelten heute aber als ausgestorben. Man bemüht sich derzeit, den Atlantischen Stör wieder anzusiedeln. Der Erfolg hängt von der Wasserqualität ab, aber deren langsame Verbesserung und die Renaturierung von Flüssen lassen die Chancen einer erfolgreichen Wiederansiedlung steigen.
Externe Quellen:
G. Rheinheimer (1996): Meereskunde der Ostsee. Springer-Verlag Berlin Heidelberg;
Broschüre „Fisch vom Kutter“ vom Arbeitskreis Fischerei in der AktivRegion Ostseeküste e.V.;
Muscheln leben meist im oder auf dem Sand. Sandklaffmuscheln vergraben sich zum Beispiel bis zu ½ Meter im Sand oder Schlick und versorgen sich über einen langen Schlauch (Sipho) mit Nahrung und Sauerstoff aus dem Wasser. Herzmuscheln leben dagegen direkt unter der Sandoberfläche, weil ihr Versorgungssipho sehr kurz ist. Die durch ihre auffällige Schalenfärbung als „Rote Bohne“ bekannte Baltische Plattmuschel ist ebenfalls unter der Sandoberfläche zu finden. Im Sand sind die Muscheln zusätzlich zu ihrer Schale vor Fressfeinden geschützt. Miesmuscheln vergraben sich nicht im Meeresboden. Sie leben in großen Kolonien, sogenannten „Bänken“ auf dem Boden oder an Felsen, zusammengehalten von kräftigen Byssusfäden.
Einige Arten kommen nur in tieferen Bereichen der Ostsee vor. Daher finden wir ihre Schalen nur ganz selten am Strand. Die Islandmuschel zum Beispiel lebt auf Weichböden in den Tiefen der Ostsee, denn sie braucht das kühle Tiefenwasser. Sie ist gegenüber dem dort häufiger auftretenden Sauerstoffmangel gut gerüstet und kann bei Bedarf ihren Stoffwechsel darauf einstellen.
Schnecken können sowohl unter Wasser, im Übergangsbereich oder am Strand leben. Die Strandschnecke zum Beispiel lebt trotz ihres Namens vorwiegend im Wasser und weidet dort mit ihrer Raspelzunge Steine und Algen ab. Die kleinen Wattschnecken, die auf den ersten Blick wie große Sandkörner aussehen, ernähren sich im Spülsaum oder im Flachwasser von Bakterien, Kieselalgen und Grünalgen. Wenn man im seichten, ruhigen Boddengewässer auf den Grund schaut, kann man ihre feinen Spuren sehen, die sich wie ein Mosaik über den Boden ziehen.
Größere Krebstiere sind in der Ostsee nicht so häufig, kleinere dagegen schon. Es gibt verschiedene Schwimmgarnelen, die sich in Seegraswiesen verstecken, und andere Garnelen wie die Ostseegarnele, die sich eher gut getarnt am Boden aufhalten, zum Schutz halb verdeckt von Sand. Nachts wagen sie sich aus ihren Verstecken und fressen Insektenlarven, Pflanzenteile oder tierische Überreste.
Von dicht bewachsenen Steinen und Tang aus greifen gut versteckte Gespensterkrebse nach vorbeitreibenden Pflanzenresten, Aas und manchmal auch nach unvorsichtigen Larven.
Ein sehr eigentümliches Wesen der Ostsee ist die baltische Riesenassel, eine handtellergroße Verwandte der Kellerassel. Die gepanzerten Tiere durchwühlen den Meeresboden kalter Wassergebiete nach Aas und kleinen Tieren. Bei Bedarf können die baltischen Riesenasseln schwimmen, müssen sich dabei aber gut vor großen Fischen wie Dorschen in Acht nehmen.
Externe Quellen:
HELCOM Red List Marine Mammal Expert Group 2013. Species Information Sheet Palaemonetes varians;
HELCOM Red List Marine Mammal Expert Group 2013. Species Information Sheet Saduria etomon
Ein großer Teil der Ostsee ist mikroskopisch klein – und doch unverzichtbar. Es handelt sich um Plankton – kleine Lebewesen, die frei im Wasser schweben und die so etwas wie die Grundlage des Lebens im Meer sind. Ohne Plankton gäbe es keine Quallen, keine Krebse, keine Fische und keine Wale. Insgesamt ist das Plankton der Ostsee relativ artenarm und besteht größtenteils aus marinen Arten, Süßwasser- und Brackwasserarten sind seltener.
Phytoplankton ist die allererste Nahrungsstufe im Meer und besteht aus kleinen, einzelligen Algen, die das Sonnenlicht und im Wasser gelöste Nährsalze nutzen um sich zu vermehren. Diese Art des Wachstums und der Vermehrung nennt man Primärproduktion. In der Ostsee gibt es knapp 300 Phytoplanktonarten, die eine atemberaubende Vielfalt an Formen und Strukturen offenbaren, wenn man sie sich unter dem Mikroskop genauer ansieht. Stäbchen, Sternchen, Fäden und Kugeln sind nur einige Beispiele der Gebilde, die einem Science-Fiction-Film entsprungen sein könnten. Beispiele sind Grünalgen, Kieselalgen, Blaualgen und Dinoflagellaten.
Regelmäßig im Frühjahr treten Phytoplanktonblüten auf, in denen sich bestimmte Arten enorm vermehren, bis die vorhandenen Nährstoffe aufgezehrt sind. Das ist Teil der Überlebensstrategie des Planktons und die Vermehrung der meisten Algen ist durch Zweiteilung der einzelligen Körper recht einfach. Während der Planktonblüten kommt es zu typischen Wassertrübungen, je nach Algenart in rot, orange, gelb, braun oder grün. Die Phase zwischen zwei Blütezeiten überbrückt das Plankton in Dauerstadien, in denen alle Lebensvorgänge vorübergehend eingestellt oder auf Sparflamme gedrosselt werden. Auch „außerplanmäßig“ können Phytoplanktonblüten auftreten. Dies ist häufig im Sommer der Fall, wenn günstige Umweltbedingungen vorliegen. Dazu zählen ruhiges Wetter, viel Licht, gute Temperaturen, viele Nährsalze und wenige Fressfeinde.
Manche Phytoplanktonarten wie zum Beispiel bestimmte Angehörige der Dinoflagellaten oder einige Blaualgen produzieren giftige Substanzen, die Blut- oder Nervenzellen angreifen können. Die Gifte können entweder direkt ins Wasser abgegeben werden, oder sie reichern sich in der Nahrungskette an. Kommt es zur schlagartigen Vermehrung solcher Algenvertreter, stellen diese giftigen Planktonblüten eine Gefahr für Meerestiere und auch für den Menschen dar. Zum Glück wurde die Ostsee bisher von solchen verheerenden Algenblüten bis auf wenige Ausnahmen verschont.
Phytoplankton ist Futter für Zooplankton, auch tierisches Plankton genannt. Das sind wirbellose Kleinstorganismen, die oft kaum größer sind als ihre Nahrung. Zum Zooplankton gehören zahlreiche Kleinkrebsarten aus den Gruppen der Blattfuß- und Ruderfußkrebse, die skurril geformten Rädertierchen und einzellige Flagellate. Auch die Jungtiere vieler größerer Tiere mischen sich unter das Zooplankton, so zum Beispiel die Larven von Schnecken und Muscheln, die Jungstadien von Moostierchen, Borstenwurm- oder sogar Fischlarven. Manche davon verbringen nur Stunden, die meisten aber Wochen oder sogar Monate im freien Wasser. Indem sie unermüdlich die sich schnell vermehrenden Algen fressen, halten sie das Wasser klar und sind ihrerseits Nahrung für noch größere Tiere, wie zum Beispiel ausgewachsene Fische. Zooplanktonblüten folgen leicht zeitlich versetzt auf die Phytoplanktonblüten und sind Folge des vermehrten Nahrungsangebots. Weil sich unterschiedliche Zooplanktonarten verschieden schnell fortpflanzen, kann die Zooplanktonzusammensetzung stark variieren. Manches größere Zooplankton vertilgt übrigens keineswegs nur Phytoplankton, sondern auch mundgerechtes anderes tierisches Plankton.
Auch Quallen zählen zum Plankton, wenn sie nicht aus eigener Kraft schwimmen, sondern frei mit der Strömung treiben. Es gibt aber auch Quallen, die sich kontolliert strömungsunabhängig fortbewegen können, diese zählen dann zum eigenständig schwimmfähigen Nekton. So groß wie viele Quallen sind, haben sie keinerlei Probleme, anderes Plankton zu fressen. Die von Badenden gefürchtete Feuerqualle gilt als größter Vertreter des Zooplanktons. In der Ostsee erreicht sie stattliche 40 Zentimeter Durchmesser. Auch wenn dies erst einmal groß klingt, sind 40 Zentimeter nichts im Vergleich mit den Exemplaren vor Island, die einen Schirmdurchmesser von mehr als zwei Metern erlangen können! In der südlichen Ostsee ist die Feuerqualle sehr selten, denn sie kann sich im salzärmeren Wasser nicht vermehren und wird lediglich im Frühjahr noch als Larve aus der Nordsee eingeschwemmt. Die ungefährliche Ohrenqualle ist nicht so empfindlich und dementsprechend weiter verbreitet. Prachtexemplare erreichen vor der deutschen Küste stolze 30 Zentimeter Durchmesser und haben hier reichlich Nachwuchs. Im salzarmen Finnischen Meerbusen findet allerdings auch diese Art ihre Schranken: Hier reicht es nur noch für ein Drittel dieser Größe und Nachwuchs ist rar.
Externe Quellen:
G. Rheinheimer (1996): Meereskunde der Ostsee. Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Der Begriff „Algen“ umfasst eine große Anzahl von Lebewesen die mikroskopisch klein bis metergroß sein können und eine enorme Formenvielfalt aufweisen.
Mikroskopisch kleine „Mikroalgen“ bestehen aus einzelligen oder koloniebildenden Algen. Sie treiben beispielsweise als Plankton frei im Wasser und können, wenn sie sich stark vermehren, zu grünen Wassertrübungen führen. Genauso kommen sie aber auch festsitzend vor und überziehen Steine, Seegras, Tange, Muscheln, Sandkörner und ähnliches unter Wasser mit einer Algendecke.
Seetange gehören zu den vielzelligen „Makroalgen“, die sich mithilfe spezieller Haftorgane im Untergrund verankern und viele Meter lang werden können. Tangarten brauchen Salz, weshalb es in der salzreicheren westlichen Ostsee deutlich mehr verschiedene Arten gibt, als in den ausgesüßten nordöstlichen Gewässern. Zu den Makroalgen zählen Blau-, Grün-, Braun- und Rotalgen und darunter Arten wie Blasentang, Meersalat, Purpurtang und die filigrane Hornalge.
Seegräser wiederum sind grasähnliche Unterwasserpflanzen, die Wurzeln haben und blühen können. Luftgefüllte Kanäle in den Blättern helfen ihnen, sich aufrecht im Wasser zu wiegen. In Deutschland kommen nur das Große und das Kleine Seegras vor, also nur zwei von weltweit 60 Seegrasarten. Süßwasserpflanzen wie das Laichkraut oder typische Brackwassergewächse wie die Meer-Salde sind entfernt mit den Seegräsern verwandt und in der deutschen Ostsee vor allem in den Boddengewässern zu finden. Außer von Ringelgänsen und Pfeifenten, die auf den langen Flügen zwischen ihren sibirischen Brutgebieten und ihren Winterquartieren an der Ostsee rasten, wird Seegras kaum gefressen. Seegras ist eine „Gründerart“, das heißt, dass die ganze Vielfalt der im Ökosystem Seegraswiese lebenden Tiere und Pflanzen vom Seegras abhängig ist.
Sowohl Seegräser als auch Seetang bieten vielen Tieren optimale Lebensbedingungen. Zum einen produzieren sie Sauerstoff und geben diesen ins Wasser ab, sodass zum Beispiel Fische ihn über ihre Kiemen aufnehmen können. Zum anderen bieten sie Schutz vor Wellenbewegungen und Strömungen, und Versteckmöglichkeiten vor Jägern. Fischmütter legen ihre Eier gerne im Seegras ab, um ihren empfindlichen Nachwuchs in den ersten Wochen nach dem Schlüpfen in guter Obhut zu wissen. Außerdem herrscht besonders in Seegraswiesen aber auch in Seetanggebieten ein reiches Nahrungsangebot. Neben den vielen Tierarten, die sich in den Unterwassergewächsen verstecken und die von anderen gefressen werden, ist auch der Aufwuchs aus Algen auf den Blattoberflächen eine wichtige Nahrungsquelle.
Seetang und Seegräser reagieren sehr empfindlich auf Wasserverschmutzung, weshalb nur noch wenige Arten wirklich häufig sind – die meisten sind auf dem Rückzug und viele fast ausgestorben. Trübstoffe und Aufwuchsalgen, die häufig aus Wasserverschmutzungen resultieren, beeinträchtigen die Unterwassergewächse, da sie nicht mehr genug Licht bekommen. Noch vergleichsweise häufig ist der braune Blasentang mit seinen charakteristischen kugeligen Aufwölbungen in den Blattwedeln. Sein naher Verwandter, der Sägezahntang, ist schon viel seltener und wird an deutschen Küsten nur noch vereinzelt gefunden.