BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Was macht einen See zu einem besonderen Biotop?

Über 2000 Seen befinden sich in Mecklenburg-Vorpommern. Quelle: Kartenportal Umwelt M-V, LUNG (Stand: 08/2014).

Mecklenburg-Vorpommern – Land der über 2000 Seen und somit seenreichstes Bundesland Deutschlands (Abb. 1). Im Sommer ist der See ein idealer Ort zum Abkühlen, Austoben und Abschalten, aber auch um die Natur zu genießen. Wenn so manch einer allerdings wüsste, was sich am und im Gewässerboden alles tummelt, der würde sich wundern, dass er nicht alleine ist…

Seen sind nämlich Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten und ihren äußerst interessanten Larven sowie weiteren kleinen und kaum zu entdeckenden wirbellosen Tieren. Gut zu sehen sind hingegen – wenn sie sich nicht gerade verstecken – Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und einige am Wasser lebende Säugetiere. Neben wunderschön blühenden wachsen im See und am Seeufer auch unscheinbare und schützenswerte Wasser- und Uferpflanzen.

Aber Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, Uferbebauungen sowie –befestigungen und intensiver Wassersport können die Seen gefährden.

Das Umweltbundesamt hat die „tiefen, nährstoffarmen Seen Norddeutschlands“ (LAWA-Typ 13) zum Gewässertyp des Jahres 2014 gewählt. Allerdings sind nicht viele Vertreter dieser wenig belasteten Seen in Mecklenburg-Vorpommern zu finden. Zu ihnen gehören z.B. der Schaalsee, Schweriner See, Pinnower See, Rugensee, Hohen Sprenzer See, Krakower See, Binnenmüritz, Breiter und Schmaler Luzin und der Große See bei Murchin. Dies ist einer der Gründe, warum der See in seiner Vielfalt und Gefährdung vorgestellt wird. Auch die Ernennung der Schwanenblume zur Blume des Jahres 2014 durch die Loki Schmidt Stiftung Hamburg regt an, sich den Lebensraum dieser gefährdeten Art an Gewässerufern genauer anzuschauen.

Ein bisschen Limnologie vorweg

Schematische Vegetationsabfolge eines eutrophen Sees und Darstellung der Zonierungen (verändert nach HUTTER et al. 2002 und POTT et al. 2008).

Limnologie ist die Wissenschaft über Binnengewässer oder einfach gesagt Süßwasserkunde. Sie geht der Frage nach, wie Gewässer entstehen, wie sie aufgebaut sind und wie das Ökosystem funktioniert.

Das eiszeitlich geformte Flachland Mecklenburg-Vorpommerns ist überwiegend durch so genannte Gletscherzungenseen geprägt (Mecklenburgische Seenplatte). Daneben existieren viele Flachseen (z.B. Eixsee, Garzer See), Strandseen an der Ostseeküste (z.B. Conventersee) sowie Moorseen und unzählige Kleingewässer.

Ein See besteht aus unterschiedlichen Zonen, die der Flora und Fauna bestimmte Lebensgrundlagen bieten. Ein übersichtliches Schema der Zonierungen ist in Abbildung 2 dargestellt. Eine grobe Untergliederung des Sees wird in Bodenzone (Benthal) und Freiwasserzone (Pelagial) vorgenommen. Das Benthal unterteilt sich wiederum in die Uferzone (Litoral) und die Tiefenzone (Profundal). Getrennt werden Litoral und Profundal durch eine gedachte Linie, der Kompensationsebene. Ab hier wird das Wasser deutlich dunkler und kälter, der Pflanzenbewuchs ist stark reduziert oder nicht vorhanden.

Die Trophie ist eine von mehreren Charakteristika, Seen zu typisieren. Als natürliche Trophiestufen gelten: oligotroph (nährstoffarm), mesotroph (mäßig nährstoffreich), eutroph (nährstoffreich). Nicht zum natürlichen Trophiespektrum gehören polytroph und hypertroph als Folge von hohem Nährstoffeintrag durch den Menschen. Dadurch verdrängen „Allerweltsarten“, denen eine hohe Gewässerbelastung nichts ausmacht, die ohnehin schon selten vorkommenden Arten, die nur in sauberen, wenig belasteten Seen leben können.

Nicht nur grünes Kraut

Oben von links nach rechts: Blut-Weiderich, Wasserdost, Zottiges Weidenröschen, Sumpf-Ziest; unten von links nach rechts: Wasser-Minze, Sumpf-Labkraut, Sumpf-Helmkraut, Ampferknöterich, Wassermiere.

Der See wird meistens von Röhricht-, Binsen- und Seggenbestand gesäumt. Schaut man sich an der Badestelle und besonders am Ufersaum genauer um, so wird man unterschiedlichste und teilweise sehr auffällig blühende Pflanzen entdecken. Wunderschön anzusehen sind am Seeufer beispielsweise der hochgewachsene Wasserdost, Blut-Weiderich, Wasser-Minze, Sumpf-Ziest und das viel verbreitete Zottige Weidenröschen. Seltener ist die gefährdete Schwanenblume (Blume Jahres 2014) zu finden, die z.B. im Röhrichtbereich auf Ziegel- und Kaninchenwerder im Schweriner See wächst. Etwas weniger auffallend sind Arten wie das Sumpf-Labkraut, Sumpf-Helmkraut, Wassermiere und Ampferknöterich. Die vorgestellten Arten wachsen bevorzugt auf nährstoffreichen Standorten. 

Was krabbelt da?

Heuschrecken.

Am Ufer des Sees krabbeln und schwirren viele Insekten herum. Geht man aufmerksam über die Wiese zur Badestellen, so sieht man, wie viele Heuschrecken davonspringen. Es gibt die unterschiedlichsten Heuschreckenarten, aber über 50 % der in Mecklenburg-Vorpommern vorkommenden sind gefährdet. Das sieht bei den Libellenarten nicht viel besser aus. Umso mehr freut es, wenn die farbig schillernden Libellen der Badestelle einen Besuch abstatten. Zwischen den Pflanzen verbergen sich des Weiteren Schnecken, Käfer und Spinnen; teilweise so klein, dass wir sie gar nicht wahrnehmen. 

Am Spülsaum: Köcher einer Köcherfliegenlarve (links) und Flohkrebs (rechts).

Wer den Spülsaum an der Badestelle am See gründlicher untersucht, der könnte merkwürde Gebilde aus zusammengeklebten Pflanzenteilen und Steinchen finden. Köcherfliegenlarven bauen sich solche Köcher als Unterschlupf. Übrigens Köcherfliegen sind oft blinde Passagiere auf Booten. Das sind die braunen/grauen fliegenähnlichen Insekten, die sich an euer Boot klammern, während ihr gemütlich über den See fahrt. Auch die flinken Wasserflöhe können bei näherem Hinsehen am Seeufer entdeckt werden.

Was verbirgt sich unter meinen Füßen im Seeboden, wenn ich ins Wasser gehe? Wer glaubt, da würde nichts als Schlamm sein, der irrt. Vor allem kleine Wirbellose, Insektenlarven und Muscheln finden am Gewässerboden und an Unterwasserpflanzen ein optimales Lebensumfeld. Die Larven von Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Steinfliegen, Schlammfliegen, Libellen, Mücken und auch Wasserkäfern fühlen sich im See besonders wohl. Bei näherer Betrachtung dieser Tierchen kann es einem allerdings gruseln, besonders hübsch sehen die kleinen Krabbeltiere nämlich nicht aus. Das Bestimmungsbuch „Süßwassertiere“ von Helmut Schwab mit vielen interessanten Fotos möchten wir an dieser Stelle wärmstens empfehlen.

Viele Wasserkäfer und Köcherfliegen sind selten geworden und stehen daher auf der Roten Liste. Ihre Larven sowie Larven von Stein- und Eintagsfliegen werden als Bioindikatoren für eine gute Gewässergüte herangezogen. Kleine rote Zuckmückenlarven, die sich im Schlamm verbergen, deuten hingegen auf eine höhere Gewässerbelastung hin.

Ungeliebtes Kraut im Wasser

Angespülte Kanadische Wasserpest.

Die meisten baden bevorzugt dort, wo es „krautfrei“ und somit augenscheinlich „sauber“ ist. Aber was wächst da eigentlich im See und was sagen mir die Wasserpflanzen darüber, wie sauber das Wasser wirklich ist?

Klare, kalkhaltige und nährstoffarme Seen gelten als besonders sauber und sind am Vorkommen von Armleuchteralgen gut zu erkennen. Da diese Seen selten geworden sind, stehen Armleuchteralgen auf der Roten Liste. „Oligo- bis mesotrophe kalkhaltige Stillgewässer mit benthischer Vegetation mit Armleuchteralgenbeständen“ sind besonders geschützte Lebensraumtypen nach der FFH-Richtlinie Anhang I. Das Gefärbte Laichkraut reagiert empfindlich auf Wasserverschmutzungen und zeigt daher sehr saubere Seen an.

Große Bestände des (Rauhen) Hornblattes hingegen weisen darauf hin, dass der See mit Nährstoffen belastet ist. Auch das Krause Laichkraut ist ein Nährstoffzeiger und verträgt Wasserverschmutzungen und –trübungen gut. Auf eine übermäßige Nährstoffbelastung (polytroph) können z.B. Ähriges Tausendblatt und Kamm-Laichkraut hindeuten, besonders wenn vorwiegend diese Wasserpflanzen vorkommen. Wachsen nur noch Weiße Seerosen oder Gelbe Teichrosen im Gewässer, so könnte eine stärkere Belastung vorliegen.

In leicht verschmutzten, nährstoffreichen Seen lassen sich z.B. Durchwachsenes Laichkraut, Spiegel-Laichkraut, Kanadische Wasserpest und Spreizender Hahnenfuß finden.

Es lohnt sich also nachzusehen, welches „Kraut“ sich um die Beine schlingt.

Der BUND-Tipp

Jungfische (Plötze, Barsche und andere).

Der Clou im See: Fischpediküre!

Im Trend liegt derzeit das natürliche Fußpeeling mittels kleiner Fische. Dies kann man an flachen, sandigen Uferbereichen, die ruhig gelegen sind, auch umsonst haben. Einfach ins hüfthohe Wasser stellen, stillhalten und warten. Nach und nach kommen die kleinen Jungfische (z.B. Brachsen, Plötze, Rotfedern, Stichlinge) und stupsen keck an den Beinen, um sich ihre leckere Portion Hautschüppchen zu ergattern. Ein sehr interessantes und angenehmes Gefühl und zart soll die Haut dadurch auch noch werden. Probiert es einfach aus und genießt nebenbei die Ruhe des Sees – vor allem in den sommerlich warmen Abendstunden.

Alle meine Entchen schwimmen auf dem See

Auf den Seen rasten und brüten unter anderem Vögel, die nach der Europäischen Vogelschutzrichtlinie geschützt sind. Sie sollten daher nur mit respektvollem Abstand beobachtet werden, um sie nicht zu stören. Dies gilt besonders für die Haubentaucher, wenn sie sich zwischen Juli und September in der Mauser befinden. In dieser Zeit ruhen diese prachtvollen Vögel in großen Trupps auf dem See. Nähert man sich ihnen mit dem Boot, so tauchen sie unter, denn in der Mauser sind sie flugunfähig. Das Tauchen kostet unnötig viel Energie, die die Haubentaucher allerdings zum Anlegen von Fettreserven für den Winter benötigen.

Neben Haubentauchern brüten auch Blesshühner in Schilfgürteln. Ebenso sind Rohrdommel und Rohrweihe schilfgebundene Vogelarten. Auf umgestürzten Bäumen am Seeufer könnte man vielleicht einen Eisvogel entdecken.

Ansonsten schwimmen und schlafen auf dem See nicht einfach nur Enten, Schwäne, Gänse und Möwen. Wer sich Zeit nimmt, kann die seltene Kolbenente mit ihrem rostroten Kopf, die schwarzweiße Reiherente, Schellente oder Gänsesäger entdecken. Im Winter rasten Sing- und Zwergschwäne neben unseren bekannten Höckerschwänen. Die Lachmöwen zeigen im Frühjahr und Sommer während der Brut schwarze Köpfe, während ab dem Spätsommer nur noch ein „Ohrfleck“ bleibt. Dagegen sehen Silbermöwen immer gleich aus. Nur ihre Jungvögel unterscheiden sich von den erwachsenen Tieren.

Was plätschert, raschelt und flattert in der Dämmerung?

Ein Abendspaziergang am ruhigen See kann sehr romantisch. Doch was war das? Ist da etwas ins Wasser gefallen? Leider ist durch die beginnende Dunkelheit nichts zu erkennen.

Womöglich könnte es ein Fischotter gewesen sein. Fischotter sind stark gefährdete Säugetiere. Sie stehen sowohl auf der Roten Liste als auch im Anhang IV der FFH-Richtlinie (streng geschützt).

Weitere nennenswerte Säugetiere sind die dämmerungs- und nachtaktiven Fledermäuse. Wasser- und Teichfledermäuse beispielsweise jagen bevorzugt Insekten in Gewässernähe. Die auf der Roten Liste geführte Teichfledermaus (vom Aussterben bedroht) gehört zu den geschützten FFH-Arten, die Wasserfledermaus kommt hingegen generell sehr häufig vor.

Am See tummelt sich noch viele andere Tiere, z.B. niedliche Mäuse, flinke Frösche und schnell schlängelnde Ringelnattern. Wer aufmerksam das Biotop erkundet und sich vor allem ganz ruhig verhält, der wird vielleicht belohnt und bekommt die scheuen und auch die seltenen Tiere zu sehen.

Fotos und Zeichnung: Janine Wilken

Weitere Informationen im Internet:

Bücher:

  • Bergbauer, M.: Was lebt in heimischen Seen? Ein Bestimmungsbuch für Taucher und Schnorchler. Kosmos, Stuttgart, 2011.
  • Brock, V., Kiel, E., Piper, W.: Gewässerfauna des norddeutschen Tieflandes. Bestimmungsschlüssel für aquatische Makroinvertebraten. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin, 1995.
  • Hutter, C.-P., Kapfer, A., Konold, W.: Seen, Teiche, Tümpel und andere Stillgewässer. Biotope erkennen, bestimmen, schützen. Hirzel, Stuttgart, 2002.
  • Krausch, H.-D.: Farbatlas Wasser- und Uferpflanzen. Ulmer, Stuttgart, 1996.
  • Pott, R., Remy, D.: Ökosysteme Mitteleuropas aus geobotanischer Sicht. Gewässer des Binnenlandes. Ulmer, Stuttgart, 2008.
  • Schwab, H.: Süßwassertiere. Ein ökologisches Bestimmungsbuch. 1. Auflage, Klett, Stuttgart 2011.
  • Schwoerbel, J., Brendelberger, H.: Einführung in die Limnologie. 10. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2013.
  • Wendelberger, E.: Spektrum der Natur BLV Intensivführer. Pflanzen der Feuchtgebiete. Gewässer, Moore, Auen. BLV Verlagsgesellschaft, München, 1986. 

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