BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Der Fluss

Naturnahe Fließgewässer als blaue Lebensadern

Mecklenburg-Vorpommern erscheint blau, wenn alle Flüsse, Bäche und Gräben eingezeichnet sind. Quelle: Kartenportal Umwelt, LUNG.

Mecklenburg-Vorpommern ist von zahlreichen großen und kleinen Fließgewässern flächendeckend durchzogen. Fließgewässer über 5 m Breite gelten als Flüsse, schmalere Fließgewässer werden als Bäche bezeichnet. Zusätzlich hat der Mensch ein ausgedehntes Grabensystem angelegt. Naturnahe und unverbaute Bach- sowie Flussabschnitte ab einer Länge von 50 m stehen gemäß § 20 des Naturschutzausführungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommerns unter Biotopschutz. Das schließt auch beidseits den Uferbereich in 7 m Breite ein. "Naturnah“ sind jene Flüsse und Bäche, die einen schlängelnden (mäandrierenden) Verlauf mit Gleit- und Prallhängen aufweisen und deren Gewässerbett durch Bänke, Fließrinnen und Kolke reich strukturiert ist. Zudem dürfen keine technischen Querbauwerke die Durchgängigkeit für wassergebundene Tiere behindern. Von den für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie relevanten Fließgewässern in M-V sind 28 % als natürlich eingestuft.

Facettenreicher Lebensraum mal ruhig mal tosend

Je nach Breite, Tiefe und Strukturelementen (z.B. Steine) bilden sich in Flüssen und Bächen einerseits beruhigte, andererseits schnellfließende Zonen aus. Wo das Wasser langsam fließt und ausreichend Licht einfällt, wachsen Wasserpflanzen üppig. Hingegen sind schnellfließende und durch Bäume beschattete naturnahe Flüsse und Bäche fast ohne Bewuchs. Im Sediment vergraben, unter Steinen sitzend, an Wasserpflanzen haftend, im Wasser schwimmend oder über das Wasser laufend – je nach Strömungsgeschwindigkeit des Wassers besiedeln insbesondere kleine Tiere die unterschiedlichen Bereiche in Fluss und Bach.

Ein Paradies für „laufende Stöckchen“

Wer sich die Zeit nimmt, sich ans Ufer zu setzen und ganz genau ins Wasser schaut, wird wandernde Stöckchen mit Kieselsteinchen oder Blattresten wahrnehmen. Bei langer Betrachtung scheinen immer mehr dieser „laufenden Stöcker“ aufzutauchen. Dies sind Köcherfliegenlarven in ihren kuriosen Behausungen, die am seichten, strömungsarmen Gewässerrand auf Nahrungssuche gehen und sich gerne an Steine und an ins Wasser ragende Wurzeln und Pflanzenteile setzen.  

Gut versteckt

Neben Köcherfliegenlarven wimmelt es in „sauberen“ Flüssen und Bächen nur so vor interessant aussehenden Larven von Eintagsfliegen, Steinfliegen oder Libellen und Wasserkäfern. Auch Strudelwürmer zeigen kaum belastete Gewässer an. Larven und Co. sind nicht nur klein, sie verstecken sich sehr gut, entweder unter Steinen und an Pflanzen oder sie vergraben sich tief im Schlamm. Wasserkäferlarven findet man allerdings nur selten, denn nach der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Wasserkäfer ist deren Bestand in Bächen als kritisch zu bezeichnen, weil natürliche und stark strömende Bäche in M-V selten sind.  

Einfacher zu finden

Wasserläufer flitzen über das Wasser ohne unterzugehen dank feinster Härchen. Die Beine hinterlassen Dellen an der Wasseroberfläche, die am flachen Ufer bei Sonnenschein sehr gut an dem Schattenwurf zu erkennen sind. Hier paaren sich gerade zwei Wasserläufer.

Natürlich dürfen Fische in einem Fluss nicht fehlen. Jeder Spaziergänger sucht nach ihnen in Fluss und Bach als erstes. Im schattigen Wurzelwerk am Ufer können Jungfische Schutz finden. Die gefährdeten Forellenarten benötigen naturnahe, sauerstoffreiche Fließgewässer. Zwischen Kieselsteinen finden sich auch Muscheln. Beispielsweise sind kleine Kugelmuscheln zahlreich. Streng geschützte Arten bzw. Großmuscheln wie die bis 10 cm große Bachmuschel sind selten geworden. Mit ihrer Filterfunktion sind diese Muscheln wichtig für das Ökosystem, doch hohe Nährstoffeinträge oder unangepasste Gewässerunterhaltung haben vielerorts zu ihrem Verschwinden beigetragen.

Regnet es oder wo kommen die Ringe auf der Wasseroberfläche her? Nein, es sind Spuren der flinken Wasserläufer. Beobachtet man sie, wenn sie am flachen Ufer innhalten, sind die Schatten der Dellen, die sie mit den Beinchen ins Wasser drücken, sehr gut erkennbar.

BUND-Tipp: Klares Wasser und kaum Bewuchs laden zum Erkunden ein

Nach dem Winter ist das kalte, fließende Wasser noch klar. Die Pflanzenwelt erwacht jetzt erst aus ihrer Winterpause. Weil die Wasser- und Uferpflanzen an den Flüssen und Bächen noch etwas auf sich warten lassen, ist der Zeitpunkt jetzt günstig am Ufer auf Entdeckungstour zu gehen. Wer genau hinschaut, wird vor allem mit interessant aussehenden Insekten belohnt. Die Suche kann erleichtert werden, wenn man größere Steine und im Wasser liegendes Gehölz aufhebt. An diesen Strukturen haften Insektenlarven, Egel oder Schnecken. Steine und Holz bitte vorsichtig wieder an ihren Platz zurücklegen. Im Sediment vergrabene Larven werden mit Hilfe von Schaufel oder Sieb sichtbar. Auch diese Tierchen müssen wieder ins Wasser zurückgesetzt werden.

Sauberes Wasser? – Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie muss umgesetzt werden

Das Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist u.a. die Erreichung eines guten ökologischen und chemischen Zustandes unserer Fließgewässer. Aus der aktuellen Bestandsaufnahme der WRRL (2013) geht allerdings hervor, dass 97 % der Fließgewässer das Ziel der WRRL verfehlen. Ihr ökologischer Zustand ist für die Pflanzen- und Tierwelt nur mäßig bis schlecht. Neben der deutschlandweiten hohen Quecksilberbelastung, machen vor allem der Gewässerausbau (Fließgewässerbegradigung, Ausbaggerungen etc.) und Staubauwerke sowie der diffuse Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft, Landentwässerung, Verlust der Auen und die Abflussregulierungen den Flüssen und Bächen zu schaffen. Für eine Verbesserung der Ökologie und Gewässerstruktur wird eine Maßnahme immer bedeutender: eine der Ökologie angepasste Gewässerunterhaltung.

Für uns Menschen haben die Gewässer in M-V zwar eine gute Badequalität, für alle anderen Lebewesen kann eine gute Qualität insgesamt nicht bestätigt werden. Ist das Wasser wirklich sauber? Für die Beurteilung der Badequalität wird gemäß der Badegewässerlandesverordnung lediglich das Vorkommen zweier Bakterienstämme (E. coli, Enterokokken) untersucht. Die Untersuchung der Parameter für die Bewertung der Gewässerökologie ist wesentlich umfangreicher und vielschichtiger. Ein schlechter chemischer Zustand unserer Oberflächengewässer ergibt sich aus Konzentrationsüberschreitungen von Nitrat, Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallen oder Schadstoffen aus der Gruppe der Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (Bestandsaufnahme WRRL von 2013).

     

Fotos (falls nicht anders benannt): Janine Wilken

Weitere Informationen im Internet:

Literatur:

  • Brock, V., Kiel, E., Piper, W.: Gewässerfauna des norddeutschen Tieflandes. Bestimmungsschlüssel für aquatische Makroinvertebraten. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin, 1995.
  • Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes (Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V), vom 23. Februar 2010, zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 383, 395).
  • Jaun, A.: An Fluss und See – Natur erleben, beobachten, verstehen. 1. Auflage, Haupt, 2011.
  • Landkreis Nordvorpommern (Hrsg.): Bäche als Lebensraum. Informationen der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Nordvorpommern. Broschüre, Rügendruck GmbH Putbus, Juni, 2011.
  • Madsen, B. L., Tent, L.: Lebendige Bäche und Flüsse – Praxistipps zur Gewässerunterhaltung und Revitalisierung von Tieflandgewässern. Edmund Siemers-Stiftung (Hrsg.), Hamburg, 2000.
  • Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Rote Liste der Wasserkäfer Mecklenburg-Vorpommerns. 1. Fassung, Schwerin, 2011. URL: http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/
    lm/_Service/Publikationen/index.jsp?&publikid=4510
  • Schwab, H.: Süßwassertiere. Ein ökologisches Bestimmungsbuch. 1. Auflage, Klett, Stuttgart 2011.
  • Schwoerbel, J., Brendelberger, H.: Einführung in die Limnologie. 10. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2013.
  • Sommerhäuser, M., Schuhmacher, H.: Handbuch der Fließgewässer Norddeutschlands – Typologie, Bewertung, Management. Atlas für die limnologische Praxis. Ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg, 2003.
  • Winkler, H. M., Waterstraat, A., Hamann, N., Schaarschmidt, T., Lemcke, R., Zettler, M.: Verbreitungsatlas der Fische, Rundmäuler, Großmuscheln und Großkrebse in Mecklenburg-Vorpommern. Natur und Text, Rangsdorf, 2007. 

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