BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Das Soll

Ein Soll im November bei Hohenzieritz. Die Ackerbewirtschaftung erfolgt bis an den Gewässerrand. Ein Pufferstreifen würde dem Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft entgegenwirken

Die „Augen“ Mecklenburg-Vorpommerns

Trockengefallene Ackerhohlform

Jetzt im November, wenn auf den Feldern kein hohes Getreide oder Mais mehr steht, wird der Blick für das frei, was sich noch auf den Äckern verbirgt: Die „Himmelsaugen“ Mecklenburg-Vorpommerns heißen so, weil sich in ihnen oft der Himmel spiegelt. Es sind inselartige Kleingewässer, die von weitem meist nur daran zu erkennen sind, dass mitten auf dem Acker Gebüsche und Baumgruppen kreisförmig angeordnet sind oder der Landwirt um „Löcher“ herumpflügt. Wer über Feld und Flur spazieren geht, mag sie für Tümpel oder Teiche halten, es sind aber sogenannte Sölle (Singular: Soll). Sie kommen in Mecklenburg-Vorpommern zu zehntausenden vor und können mehrere Meter tief sein. Je nach Art der Entwicklung (Genese), Wasserverhältnisse (Hydromorphologie) und des Pflanzenbewuchses (Sukzessions-stadien) können unterschiedliche Typen von Söllen unterschieden werden. Wenn so ein Kleingewässer einmal kein Wasser führt, ist dies nicht ungewöhnlich. Sie werden nämlich nur durch Niederschlag (vor allem im Winter) gespeist. So kommt es vor, dass im Sommer und Herbst oder in einem niederschlagsarmen Jahr ein Soll auch trockenfallen kann. 

Warum sind Sölle schützenswert?

Das Bundesnaturschutzgesetz definiert Sölle als „Hohlformen verschiedener Größe und Formen, die mindestens zeitweilig Wasser führen und dementsprechend meist eine Wasser- oder Sumpfvegetation sowie oft einen Gehölzsaum aufweisen [mit] in der Regel […] umlaufenden Steilrand oder […] Umwallung“. Mit einer Mindestfläche von 25 m² sind Sölle gesetzlich besonders geschützte Biotope. Diese Geländehohlformen sind Zeugnisse der letzten Eiszeit und entstanden nach dem Abschmelzen von mit Sedimenten überlagertem Toteis. Heute sind Sölle ein wichtiges Biotop für bedrohte Arten und ein Bindeglied zwischen Lebensräumen. Als sogenannte „Trittsteine“ werden diese Kleinstrukturen in der Landschaft von wandernden Kleintierarten genutzt. Dies sichert den Tierpopulationen ihr Überleben, indem sie sich von Trittstein zu Trittstein über größere Distanzen ausbreiten und vermehren können. Sölle nehmen deshalb eine sehr wichtige Funktion im Biotopverbund ein. Dies macht sie zu besonderen Kleingewässern, die allerdings in der Agrarlandschaft zu verschwinden drohen. Wandernde Arten müssen in der Lage sein, die Distanzen zwischen einzelnen Söllen und weiteren Biotopen zurücklegen zu können, was dadurch gefährdet wird, wenn die Abstände durch fehlende Trittsteinbiotope zu groß werden. 

Vom Laichen, Wandern und Ruhen

Die von Soll zu Soll wandernden Kleintiere, das sind Frösche, Kröten, Molche und Salamander. Vor allem für diese Amphibien haben Sölle als Laichgewässer eine wichtige Bedeutung. Nur wer lange am Kleingewässer ausharrt und genau hinsieht, wird in der warmen Jahreszeit sehr viele Frösche und Kröten im Wasser entdecken. Trocknen die Kleingewässer aus, ziehen sie weiter. Sobald ein Soll aber erneut Wasser führt, wird es rasch wieder besiedelt. Alle Amphibien halten jetzt im und am Kleingewässer Winterruhe. Sie können sich noch bewegen, aber ihre Aktivität ist stark eingeschränkt. Da ihre Innentemperatur von der Außentemperatur bestimmt wird, suchen sie sich in kälte- und frostgeschützten Bereichen einen Unterschlupf. In eine für ihr Überleben kritische Kältestarre verfallen Amphibien erst, wenn die Temperaturen unter null Grad fallen. Aber in Erdlöchern und in tieferen Bereichen von Gewässern können Lurche dem Kältetod entgehen.

Besonders hervorzuheben sind die nach Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) geschützten Rotbauch-unken und Kammmolche. Ihr Vorkommen ist durch das Verschwinden von Ackersöllen bedroht. Um ihr Überleben und ihre Wiederansiedlung zu sichern, werden vor allem in FFH-Gebieten Sölle renaturiert bzw. saniert. Dies sollte allerdings nicht nur in Schutzgebieten, sondern auf allen Ackerflächen angestrebt werden.

Nicht nur Amphibien finden in den Kleingewässern auf den Äckern einen Lebensraum. Auch Wasserkäfer, Wasserwanzen und Libellen mitsamt ihrer Larven sowie Muscheln und Schnecken, deren vielseitig geformte Gehäuse unter Wasser zu entdecken sind, schätzen das Kleinod in der Kulturlandschaft. Es ist unglaublich, wie viel Leben sich in einem renaturierten Soll auf kleinster Fläche tummelt. Sehr gut sichtbar wird diese Artenvielfalt, wenn man während der Sommerzeit im Soll ein bisschen herumkeschert. 

BUND-Tipp: Das Amphibienjahr

Ab Ende Februar bis Mitte Oktober können Spaziergänger Frosch und Co. wieder in Aktion erleben. Jeder Monat hält ein anderes Highlight im Amphibienjahr bereit. Der BUND empfiehlt dazu das Buch „Heimische Amphibien – Bestimmen, Beobachten, Schützen“ von Dieter Glandt. Neben übersichtlichen Artportraits werden wertvolle Tipps gegeben, die die Freude am Beobachten fördern. Eine beigefügte CD schärft zusätzlich die Sinne für Paarungsrufe der Amphibienarten. Manch einer hat beispielsweise Rotbauchunken schon gehört, weiß aber gar nicht, dass diese seltsamen, langgezogenen hupenartigen Geräusche („uuuh… uuuh… uuuh…“) von einem Lurch stammen. 

Sonnig bis vollschattig

Die Wasserfeder (links) und die Wasser-Schwertlilie (rechts) sind gesetzlich besonders geschützt

Der Pflanzenbewuchs im und am Soll ähnelt dem von Seen. Es wachsen hier auch interessante Wasserpflanzen, wie z.B. der mit Fangblasen ausgestattete, fleischfressende Wasserschlauch, die weiß blühende, besonders geschützte Wasserfeder oder die ebenfalls geschützte Wasser-Schwertlilie mit ihren auffälligen gelben Blüten. Die meisten Sölle sind mit Röhrichtvegetation bewachsen oder auch zugewachsen. Für Sölle mit starken Wasserspiegel-schwankungen sind Weißes Straußgras und auch die Pflanzengattung mit dem interessanten Namen Zweizähne (lateinisch Bidens) charakteristisch. Meistens umsäumen Weiden und Erlen die Kleingewässer auf den Äckern. Sie werden dadurch halb- bis vollverschattet und bieten vielen Amphibien, die auch sonnige Plätze benötigen, unter Umständen keinen geeigneten Lebensraum mehr. Ebenso gibt es auch offene Sölle, die keinen Gehölzsaum aufweisen, also ausreichend Sonneneinstrahlung für die wechselwarmen Tiere bieten. 

Jahreszeitliche Veränderung der Vegetation eines offenen Ackersolls: Juni, August, Oktober, November (von oben links nach unten rechts)

Sölle in Gefahr

Sölle leiden vor allem an den Nährstoffeinträgen aus der intensiven Landwirtschaft. Dadurch verschiebt sich das Artenspektrum hin zu besonders stickstoffliebende Staudenpflanzen. Die Kleingewässer drohen schließlich durch Verschlammung zu verlanden.

Viele Ackerflächen müssen durch Drainagen entwässert werden, damit sie nutzbar bleiben. Besonders die Meliorationsprojekte in den 70er und 80er Jahren, als Kleingewässer an Entwässerungssysteme angeschlossen wurden, haben den Wasserhaushalt von Söllen stark gestört.

Es passiert leider auch, dass die Ackerhohlformen durch Umpflügen verfüllt oder beseitigt werden. Selbst als illegale Deponien werden sie missbraucht.

Eine vollständige Beschattung durch Gehölze, die am Rand der Sölle stehen, vermindert zusätzlich den Artenreichtum im Kleingewässer und erhöht die Verdunstungsrate, wodurch das Austrocknen gefördert wird.

Maßnahmen zum Erhalt

Vor allem im Rahmen von FFH-Managementplänen werden Maßnahmen, die dem Erhaltungszustand der Sölle dienen, durchgeführt. Dazu zählt das Anlegen von mehreren Metern breiten Pufferstreifen um die Kleingewässer. Dies können z.B. Randstreifen aus angesäten Leguminosen, wie verschiedenen Kleearten, sein. Dadurch wird Insekten ein zusätzlicher Lebensraum geboten und die Artenvielfalt auf dem Acker erhöht sich. Der Pufferstreifen soll den Nährstoffeintrag ins Kleingewässer reduzieren. Zur warmen Jahreszeit ist es ein wahres Erlebnis über so einen Randstreifen zu gehen: Bienen, Heupferde und viele andere Insekten surren, hüpfen und krabbeln ganz außerordentlich in solch einem blühenden Pufferstreifen.

Sölle, die Jahrzehnte lang sich selbst überlassen waren, wuchern unter Umständen zu. Die Gehölze verschatten schließlich das Feuchtbiotop. Wird durch Rückschnitte und gut durchdachte Holzungen dem Soll etwas Sonne und nur eine Halbverschattung gegönnt, kann sich das Artenspektrum erhöhen, sprich die Biodiversität nimmt zu.

Das Ausbaggern verschlammter Sölle wird zwar auch als durchführbare Maßnahme angesehen, sollte aber als letzte Möglichkeit herangezogen werden. Diese Methode führt unter Umständen zu mehr Schaden am Artenreichtum der Kleingewässer als das es nützt. Ausbaggerungen sind ein intensiver Eingriff ins Ökosystem. Alles, was am Grund des Kleingewässers im Verborgenen lebt, wird aus seinem Lebensraum entfernt und das Ökosystem gestört. Vielmehr sollte die Ursache für die Verschlammung, nämlich der Nährstoffeintrag aus der intensiven Ackerbewirtschaftung, bekämpft werden, als an einem Symptom herumzudoktern, dass dann nur kurzweilig geheilt werden kann. Das bedeutet Ausbaggern ohne das Anlegen von Pufferstreifen bzw. ohne verminderten Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden bringt auf lange Sicht keinen Erfolg.

Positive Beispiele aus der Praxis

Derzeit wird von der Oberen Naturschutzbehörde ein Managementplan für das FFH-Gebiet „Wald- und Kleingewässerlandschaft Dambecker Seen und Buchholz“ im Landkreis Nordwestmecklenburg erarbeitet. Hierbei steht die Aufwertung der Ackersölle im Fokus, was mit Hilfe der Landbewirtschafter vollzogen werden soll. An einem Soll wurde in den letzten Jahren bereits ein Pufferstreifen angelegt und der Schlamm herausgebaggert. Nun konnte diesem Kleingewässer im Rahmen der Grundlagenerarbeitung zum Managementplan ein hervorragender Zustand bescheinigt werden. Kammmolch und Rotbauchunke sind in diesem Soll mit einem günstigen Erhaltungszustand vertreten.

Die Gemeinde Bröbberow im ehemaligen Landkreis Bad Doberan führte im Jahr 2002 eine erfolgreiche Renaturierung von Ackersöllen durch. Mit finanzieller Unterstützung der oberen Naturschutzbehörde wurden zehn Sölle entschlammt und Pufferzonen um die Kleingewässer angelegt. Nach den Renaturierungsmaßnahmen führten die schwach ausgeprägten Ackerhohlformen wieder Wasser und boten vielen Arten einen Lebensraum.

Projekt Landwirtschaft und Naturschutz

Im Rahmen des BUND-Projektes „Landwirtschaft und Naturschutz“ wurden im Jahre 2012 vier Ackersölle bei Plath im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte entschlammt und zum Teil entbuscht, um für die nächsten Jahre wieder als Lebensraum für Rotbauchunke und Co. zur Verfügung zu stehen. Wichtig sind hier besonnte Flachwasserzonen und flach ausgezogene Uferränder. Die vier Sölle liegen alle im Umkreis von wenigen hundert Metern und können von Amphibien auch im Verbund mit der dortigen Hecke genutzt werden. Die Kosten für die Renaturierung eines Ackersolls konnte der BUND aus Spendengeldern begleichen.

Fotos (falls nicht anders benannt): Silke Damm

Weitere Informationen im Internet:

Literatur:

  • Bergstedt, J.: Biotopschutz in der Praxis – Grundlagen, Planung, Handlungsmöglichkeiten. 1. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, 2011.
  • Engelhardt, W.: „ Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher? Pflanzen und Tiere unserer Gewässer“. 15. Auflage, Kosmos-Verlag, Stuttgart, 2003.
  • Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG), vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), in Kraft getreten am 01.03.2010, zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 24 des Gesetzes vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482).
  • Glandt, D.: „Heimische Amphibien – Bestimmen, Beobachten, Schützen“. AULA-Verlag, Wiebelsheim, 2008.
  • Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.): „Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg, Sonderheft 1996, Sölle.“ 5. Jahrgang, UNZE-Verlagsgesellschaft, Golm, 1996.
  • Plewe, S., Duchrau, C., Grünwald, M., Kalettka, T., Zander, B.: Kleingewässer in Agrarlandschaften – Eine Schutzstrategie für das Landschaftselement „Soll“ im nordostdeutschen Flachland. Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2009. 

 

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