Seit über 10 Jahren engagieren sich die lokalen Umweltverbände des NABU und BUND für den Erhalt der noch verbliebenen naturnahen Landschaftsteile am Warnow-Breitling. Sie haben die Verantwortlichen in Wirtschaft, Politik und Planung auf die Umweltgefahren von Anfang an hingewiesen, die im Zusammenhang mit der geplanten Hafenerweiterung stehen. Viel Zeit stand also zur Verfügung, sich damit umfassend auseinanderzusetzen und die Flächenentwicklungen für die Industriestandorte der Rostocker Zukunft entsprechend umweltfreundlich anzupassen. Stattdessen haben die Akteure der Hafenplanung ihre Erweiterungspläne vorangetrieben, als wenn es die lokalen und globalen Umweltprobleme gar nicht gäbe.
Das Land M-V (zu 25%) und die Stadt Rostock (zu 75%) sind Eigentümer des Rostocker Hafens (Rostock Port GmbH) und haben damit Verantwortung!
Was sind die eigentlichen Probleme der Hafenerweiterung, die sich nicht im Sinne der Allgemeinheit lösen lassen und somit zu einer vehementen Ablehnung durch die Umweltverbände führen?
Die vollständige Überbauung des letzten noch naturnah verbliebenen Küstenüberflutungsmoores am Breitling ist ein wichtiges, aber längst nicht das einzige Problem. Die Planer wollen nun durch Tiefgründungen und Überschüttungen verhindern, dass die dort im Torf gespeicherten CO2-Mengen in die Atmosphäre freigesetzt werden. Dieser „ökologische Anstrich“ bröckelt allein deshalb, da das Potential der überbauten Moorflächen, CO2 aus der Atmosphäre und Nährstoffe aus dem Gewässer zu binden, für immer und unwiderruflich verloren geht. Und das ist nur eine der kontinuierlich negativen Umweltbilanzen, die aus der Erweiterung des Hafens in der geplanten Art und Weise resultieren werden.
Der Breitling ist Teil des ehemaligen Warnow-Mündungsdeltas und mit seinen ausgedehnten Flachwasserbereichen und Überflutungszonen ein landschaftsökologisch und für den Biodiversitätsschutz überregional bedeutsamer Landschaftsraum. Er besitzt eine eigenständige Ausstattung an Tier- und Pflanzenarten, die in dieser Vergesellschaftung nur hier anzutreffen sind. Wesentliche Ursachen dafür sind die differenzierten Salz- und Klimaverhältnisse entlang der südlichen Ostseeküste sowie die lange Zeitdauer der Entwicklung dieser Landschaft und ihrer Lebensräume. Diese Landschaft erhielt mit der Litorina-Transgression der Ostsee vor etwa 5.000-6.000 Jahren ihre entscheidende Prägung. Zu diesem Zeitpunkt bildete sich die Küstennehrung zwischen der Stoltera im Westen und der Rostocker Heide im Osten heraus, womit sich das Ästuar der Unterwarnow mit dem Breitling als eine typische Lagune herausbildete. Aufgrund der Größe des Flusses, seiner geringen Fließgeschwindigkeit und des noch recht hohen Salzgehaltes der Ostsee vor Warnemünde ist das Unterwarnow-Ästuar das mit Abstand bedeutendste Ästuar an der südlichen Ostsee überhaupt.
Im Zuge der Stadt- und Hafenentwicklungen Rostocks sind bereits große Teile Uferzonen entlang der Unterwarnow überbaut und viele Fließstrecken verändert. Jedoch gibt es bis heute naturnahe Abschnitte. Einige besonders gefährdete und hoch spezialisierte Arten der mitteleuropäischen Fauna kommen nur noch hier in größeren Populationen vor. Die Zerstörung oder Veränderung dieser Lebensstätten würde das großräumige Aussterben solcher Arten weiter beschleunigen.
Gerade die östlichen Teile des Warnow-Breitlings und die angrenzenden Niederungen besitzen eine besondere Eigenart, die nicht ersetzbar ist. Die Hansestadt trägt somit eine besonders hohe Verantwortung für den Erhalt dieses einzigartigen und humanökologisch bedeutsamen Naturraumes und seiner Lebensraumfunktionen.
Alljährlich werden die Flachwasserbereiche von tausenden Wasservögeln als Nahrungs-, Rast- und Überwinterungsplatz genutzt. Weitere Flachwassergebiete vergleichbarer Größe existieren in dem etwa 50 km langen Küstenabschnitt zwischen Wismarbucht und Darß-Zingster-Boddenkette nicht mehr. Das überregionale Zug- und Rastgeschehen der Vögel würde bei Inanspruchnahme dieser Gebiete für die Hafenerweiterung einer dramatischen Veränderung unterliegen.
Außerdem würden wichtige Nahrungsgründe und ein bedeutendes Fortpflanzungs- und Aufwuchsgebiet für Fische zerstört werden. Der Hering als einer der volkswirtschaftlich wichtigsten Fischarten der Ostsee hat hier ein wichtiges Reproduktionsgebiet. Die Hansestadt würde hier ihr eigenes Fischereirecht schädigen. Außerdem stellt das aktuell noch unzerschnittene Gebiet zwischen dem Seehafen im Süden des Breitlings und dem Marinehafen im Norden eine wichtige Pufferzone zwischen den Industriestandorten Rostocks und der naturgeprägten Wald- und Moorlandschaft der Rostocker Heide dar. Nicht zuletzt handelt es sich um den letzten verbliebenen erlebbaren „Naturraum Warnow-Breitling“ für den Menschen, sei es als Erholungssuchender, Wassersportler, Naturinteressierter oder Angler.
Ein naturnahes Warnow-Ästuar ist nicht zuletzt Voraussetzung für die nachhaltige Sicherung der ökologischen Stabilität des ausgedehnten Waldgebietes der Rostocker Heide, welches unmittelbar nördlich und östlich an den Breitling grenzt. Aufgrund der außerordentlich geringen Geomorphodynamik ist das Ästuar mit dem westlichen Teil der Heide hydrologisch eng verzahnt. Die Waldgrenzen entlang der Küstenüberflutungsmoore am Westrand der Heide sind natürliche Waldgrenzen, bedingt durch den Salzgehalt im Bodenwasser. Diese Waldgrenzen haben sich im jahrhundertlangen Einfluss der Küstenüberflutungsdynamik genauso herausgebildet, wie sie heute erscheinen. Diese Ökosysteme sind außerordentlich fragil. Jede geringfügige Veränderung im hydrologischen und hydrochemischen Regime hat Einfluss auf die Vitalität der Waldbestände, welche sich im Überflutungseinfluss des Ästuars befinden. Eine Hafenerweiterung in den Ostbreitling hinein würde eine Erhöhung des Salzgehaltes im Überflutungswasser für alle angrenzenden Überflutungsräume zur Folge haben. Zwangsläufig würden sich dann auch die Waldgrenzen verschieben, was sich in einem großflächigen Absterben der Baumbestände in den Niederungsbereichen der Rostocker Heide im Umfeld des Radelseegebietes äußern wird.
Der landschaftsökologische Verlust des Warnowbreitlings würde somit jeden nur denkbar möglichen ökonomischen Nutzen einer Hafenexpansion in die Naturräume des Ostbreitlings in den Schatten stellen.
Schon heute zeigt sich überall im Gebiet ein Verfall der bisherigen Vegetationsgrenzen. Sie sind vermutlich eine Folge der bisherigen Seekanalvertiefungen und der damit verbundenen Erhöhung der Salzgehalte im Breitling und damit auch im Radelsee. Im Überflutungsmoor des Radelsees löst sich die Oberfläche des Moores großflächig auf und an seinen Rändern zur Rostocker Heide hin sterben viele der alten Eichen und Buchen ab. Hier wird deutlich, wie sich ehemalige CO2-Senken in kürzester Zeit zu Emittenten von Klimagasen wandeln. Bereits im erst kürzlich abgeschlossenen Verfahren zur erneuten Seekanalvertiefung haben die Umweltverbände auf diesen Umstand hingewiesen, was bei den Planern und den zuständigen Genehmigungsbehörden aber unbeachtet blieb. Dies und die angestrebte Ausweisung der Hafenerweiterungsflächen als Vorranggebiete durch die Landesplanung zeigen, dass die globalen humanökologischen Handlungserfordernisse des Klima- und Biodiversitätsschutzes bei den beteiligten Behörden noch immer nicht angekommen sind. Deshalb werden die Umweltverbände im weiteren Planungsverlauf um die Seehafenerweiterung hierauf ein besonderes Augenmerk legen.
Die bisherigen Vorstellungen von Industrieplanung, indem die Handlungserfordernisse des Klima- und Biodiversitätsschutzes eher in fernen Ländern vermutet werden und eigene Grenzen der Inanspruchnahme von Ressourcen weitgehend ausgeblendet wurden, sollten auch in Rostock endlich überdacht werden. Neue Wachstumsziele und eine weitere Steigerung der Industrieproduktion führen bekanntlich in die Sackgasse und machen das Leben der Menschheit auf dem Planeten endlich. An die verantwortlichen Planer und Politiker geht deshalb der Aufruf: Bitte, befasst Euch mit den Aussagen des letzten Klimagipfels in Glasgow! Alles ist zwar bereits seit Jahrzehnten bekannt, aber bitte, bezieht doch die Daten und Fakten endlich einmal in die eigenen Vorstellungen von gesellschaftlicher Entwicklung ein! Es ist doch schon lange nicht mehr nur die Aufgabe der Umweltverbände daran zu erinnern, dass eine nachhaltige Entwicklung ausschließlich unter Berücksichtigung grundlegender ökologischer Zusammenhänge gelingt.
Aus demselben Grund weisen wir die Argumentation des Hafenchefs Jens Scharner zurück, der die geplante Hafenerweiterung mit den Ansprüchen kommender Generationen an Wohlstand und Arbeit begründet. Es ist genau dieses Wissen um die Gefährdung von Wohlstand im gesamtgesellschaftlichen Sinne durch das Festhalten am „weiter so“, welches das Engagement der Umweltverbände gegen die aktuellen Pläne der Hafenerweiterung begründet. Eine völlig hypothetische Zahl von zig-Tausend zukünftigen Arbeitsplätzen als Argument ins Feld zu führen, um die vollständigen Funktionsverluste global bedeutsamer Ökosysteme zu begründen, ist mit Blick auf die realen Probleme zukünftiger Generationen mehr als fragwürdig.
Angesichts der uns alle betreffenden Klimaveränderung muss die Sicherung der Lebensgrundlage für uns und unsere Kinder oberste Priorität haben. Der Schutz von Flächen mit den o.g. lebenswichtigen Funktionen muss oberste Priorität haben.
Bevor großräumig neue und derart sensible Flächen erschlossen werden sollten die vorhandenen Hafenareale effizienter genutzt werden. Flächen für das Kohlekraftwerk, vorgehaltene Flächen für den ursprünglich geplanten zweiten Kraftwerksblock, Lagerflächen für fossile Energieträger u.ä. können umgenutzt werden. Ebenerdige Parkplätze sind angesichts des Wertes dieser Flächen nicht mehr zeitgemäß. Parkplatzflächen können reduziert, in die Höhe gebaut und der ÖPNV bzw. die Radwegeanbindung als Alternative angeboten werden.
Die Planung der Hafenerweiterung zeigt zumindest eins ganz deutlich: Mit Blick auf die Zukunft Rostocks und den Beitrag der Hansestadt zum Klimawandel stehen Entscheidungen von besonderer Brisanz an.
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