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Immer mehr Leistung?

08. September 2015

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8. September 2015

Immer mehr Leistung?

Das Landesbündnis für Nachhaltige Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern* kritisiert die Ausrichtung der in dieser Woche beginnenden Mecklenburgischen Landwirtschaftsmesse MeLa auf Intensivierung, Höchstleistung und Industrialisierung. Die auf der MeLa gefeierte Hochleistungskuh mit bis zu 50 Litern Milchleistung pro Tag sei besonders vor den Hintergrund eines entfesselten und für viele Betriebe ruinösen Milchmarktes Symbol für die falsche Agrarpolitik zu Lasten von Landwirten, Tieren und des ländlichen Raumes.

Vor der Eröffnung der MeLa fordern Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin des BUND in M-V, Kerstin Lenz, Vorsitzende des Tierschutzbundes Mecklenburg-Vorpommern, Jörg Kröger, Sprecher des Unternehmerverbandes MiLaN und des Landesnetzwerkes „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ und Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Obergrenzen für die Zahl der Tiere je Betrieb und kündigen für den 19.September 2015 eine Protestaktion vor der größten Sauenanlage Europas in Alt Tellin an.

Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin des BUND in M-V:

„Wenn Ställe zu Fabriken werden, ist Widerstand im Dorf absehbar – zu Recht. Das betrifft inzwischen auch die Milchviehhaltung. Für die in Keez bei Brüel auf einer Hügelkuppe mitten im Naturpark geplante Großanlage für 3000 Milchkühe müssen geltende Umwelt- und Sicherheitsvorschriften sehr frei ausgelegt werden. Sonst wäre eine Genehmigung unmöglich. Für die Keezer Anlage wurden die geltenden Emissionswerte auf ein Drittel herunter gerechnet. Dazu müssen unter anderem die etwa vierzigtausend Kubikmeter Gülle mit mehr als vier Tonnen Schwefelsäure behandelt werden. Die Umweltfolgen sind nicht untersucht worden. Die Größe des geplanten Kuhstalles überschreitet auch die geltenden Vorschriften der Landesbauordnung für Stallbauten um das zwanzigfache. Es müssen Sondererlaubnisse beantragt werden. Die Rettungswege über eine dreieinhalb Meter breite Allee sind im Katastrophenfall so blockiert, dass der Ort Keez nicht erreichbar ist. Da muß man sich über Protest nicht wundern.“ Außerdem widerspricht das Vorhaben auch einer Ausrichtung des Naturparkes auf nachhaltige Wirtschaftsformen und den Erfordernissen der Raumordnung. Der BUND schlägt vor, Obergrenzen für Tierhaltungsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit festzulegen. Für Milchviehbetriebe sollten sie bei 600 Rindern, für Schweine bei 950 Mastplätzen und 150 Sauen liegen. Selbst im USA-Bundesstaat Arkansas gibt es inzwischen Obergrenzen für Schweinehaltung.“

Kerstin Lenz, Vorsitzende des Tierschutzbundes Mecklenburg-Vorpommern macht auf die Folgen von Hochleistungszuchten wie „Deutsch Holstein“ für die Tiere aufmerksam und bezieht sich auf eine aktuelle Publikation von Tanja Busse („Die Wegwerfkuh“)

„Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Milchkühen liegt inzwischen unter drei Jahren in Deutschland. Kühe können aber bis zu 20 Jahren alt werden. Es ist kaum zu verstehen, dass Landwirte in moderne Boxenlaufställe mit viel Licht und Platz investieren und wertvolle, leistungsfähige Tiere züchten, die gigantische Milchleistungen bringen, die Kühe aber mit vier oder fünf Jahren zum Schlachten schicken. Die Hochleistungsrassen wie Deutsch Holstein – das Tier der MeLa - sind derartig auf Milchleistung gezüchtet, dass die Mütter alle Energie für dreißig, vierzig Liter am Tag, kurz nach dem Kalben sogar über sechzig Liter am Tag geben. Sie selbst bleiben trotz Hochleistungsfutter so mager, dass ihre Hüftknochen hervorstehen. Es wird nicht darüber gesprochen, dass Tierärzte Erkrankungen wie Ketose mit der negativen Energiebilanz in Verbindung bringen. Immer weniger Milchbetriebe lassen die Milchkühe zu der für sie artgerechten Haltung und Futter auf das Grünland, weil jeder Schritt mehr zu Lasten der Milchleistung geht. Stattdessen müssen Klauengeschwüre behandelt werden, die durch die Dauerhaltung auf den Spaltenböden entstehen. Wenn Kuhställe jetzt neuerdings über 2.000 Milchkühe beherbergen, ist ein Weidegang auch logistisch nicht mehr machbar. Im System der maximalen Milchmengen werden die unattraktiven Bullenkälber möglichst schnell an einen Händler verkauft. Für die 3 Wochen alten Kälbersäuglinge ist das System der Kälberlandverschickung lebensgefährlich. Gestresst durch die lange Reise, treffen sie in den Sammelstellen auf viele andere erschöpfte Kälber. Wir brauchen wieder Bestandsgrößen in der Tierhaltung, die Tiere nicht zum Rohstoff werden lassen. Deshalb befürworte ich Obergrenzen für Tierhaltungsanlagen.“

Jörg Kröger,Vorsitzender des Unternehmerverbandes MiLaN und Sprecher des Landesnetzwerkes „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“:

Der aktuelle Preisverfall der Milch trifft die Bauern mit aller Härte. Die Existenz vieler Betriebe ist bedroht. Im Moment gibt es noch 4.700 Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern. Schon jetzt fehlen damit im Vergleich zu Schleswig Holstein mehr als 10.000 Betriebe. Ziel der Politik sollte es sein, die Zahl der Betriebe wieder zu erhöhen statt ihren weiteren Abbau zu fördern.

Wir brauchen deshalb jetzt sehr schnell Obergrenzen, sowohl für die Tierzahl je Betrieb wie auch für die Betriebsflächengrößen selbst. - Über 500 Hektar sollte es keine Flächenförderung mehr geben. Agrarindustrielle Betriebe müssen klar definiert werden und dürfen nach einer Übergangsfrist nicht weiter mit Steuergeld subventioniert werden. Die freiwerden Mittel sind restlos für die Förderung bäuerlicher Landwirtschaft umzuschichten.

Diese Diskussion erreicht wenigstens hinsichtlich akzeptabler Tierzahlen jetzt endlich auch die Politik. Wir begrüßen das natürlich sehr. Allerdings werden dabei Tierzahlen von 2 Großvieheinheiten je Hektar ernsthaft in Betracht gezogen. Die Daberkower Landhof-AG dürfte dann zum Beispiel mehr als 20.000 Rinder halten oder mehr als 140.000 Mastschweine. Die Ferkelfabrik bei Alt Tellin wäre dagegen dann mit ihren 10.000 Sauen- und 50.000 Ferkelplätzen schon wieder vergleichsweise klein. Deshalb können 2 Großvieheinheiten kein Maßstab sein. Wer das behauptet hätte wohl doch besser vorher einen Taschenrechner benutzt.“

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)

"Ruinöse Erzeugerpreise machen Bauern, Kühe und Dörfer kaputt. Wir müssen an der Wurzel der Tiefstpreise ansetzen, und das sind die Überschüsse am Markt. Dazu brauchen wir zeitlich begrenzte Anreize zur Mengenreduzierung. Minister Backhaus und der Bundesminister Schmidt müssen ihren Widerstand dagegen aufgeben. Wir müssen aber auch dringend weg von der gescheiterten agrarpolitischen Leitlinie des "Wachsen oder Weichen". Wir brauchen keine Betriebe mit Tausenden Kühen, sondern müssen dringend Grenzen des einzelbetrieblichen Wachstums festlegen. Nicht Mengenwahn, sondern Qualitätsbewusstsein ist gefragt. Da haben alle ihre Verantwortung wahrzunehmen: Politik, Milchindustrie, Supermarktketten, Bauern und Verbraucher. Gefragt sind Qualitäten wie Weidehaltung und Grasfutter, gentechnikfreie Fütterung, Langlebigkeit gesunder Milchkühe und nicht zuletzt Biomilch."

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* Das Landesbündnis für eine Nachhaltige Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist ein  Zusammenschluß der Umweltverbände BUND und NABU, sowie des Tierschutzbundes Mecklenburg-Vorpommern mit Landwirten der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Wissenschaftlern der Universität Greifswald, dem Unternehmerverbund MiLaN aus Vorpommern und der Michael-Succow-Stiftung zum Schutz der Natur. Das Landesbündnis für eine Nachhaltige Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern hat 2015 ein über 100 Seiten starkes Aktionsprogramm für eine Nachhaltige Landwirtschaft u.a. auch mit Gastbeiträgen des Verbraucherschutzes und der Tourismuswirtschaft vorgelegt und zu den wichtigsten Bereichen der Landwirtschaft 7 Forderungen für einen Wandel in der Landwirtschaftspolitik aufgestellt. Das umfangreiche Aktionsprogramm stellt zu den wichtigsten Bereichen der Landwirtschaft 7 Forderungen für einen Wandel in der Landwirtschaftspolitik auf.

 

Das Aktionsprogramm und die 7 „Greifswalder Forderungen“ sind zu finden unter:

ñ  http://www.bund-mecklenburg-vorpommern.de/themen_und_projekte/landwirtschaft/

ñ  http://www.milaninfo.de/

ñ  mecklenburg-vorpommern.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/17822.html

Für Rückfragen: Corinna Cwielag, BUND, T. 0385 521339-12 oder 0178 5654700 

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