Hintergrund
Änderung der Genehmigungspraxis im Immissionsschutzverfahren für Stallanlagen
Die zentrale Aufgabe des Immissionsschutzrechts ist die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung. Es soll jedoch auch andere Schutzgüter wie Boden und Wasser in einem „integrativen Ansatz“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen bewahren. Das Immissionsschutzrecht ist eines der zentralen Rechtsbereiche des Umweltschutzes und hat das Ziel, potenziell schädliche Einwirkungen auf den Menschen und seine Umwelt durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Vorsorge zu verringern.
Dennoch birgt die Praxis nach Bundesimmisionsschutzgesetz (BImSchG) bezüglich der Genehmigung großer industrieller Stallanlagen Probleme, die weitreichende Folgen für Tier und Mensch mit sich ziehen. So werden beispielsweise bislang die Auswirkungen der Gülleausbringung nicht ausreichend geprüft. Schon jetzt leiden drei Viertel aller geschützten Biotope unter massiver Überdüngung. Jeder fünfte Trinkwasserbrunnen in Mecklenburg-Vorpommern hat schon jetzt Nitratprobleme. Die EU klagt sogar gegen Deutschland, da die Bundesregierung die Nachhaltigkeitsziele zum Stickstoff-Überschuss deutlich verfehlt hat.
Die Gülleausbringung von industriellen Stallanlagen umfasst zudem große Mengen schadstoffhaltiger Flüssigkeiten, die schwerwiegende Folgen für gesetzlich geschützte Güter, wie das Grundwasser, die Oberflächengewässer und die Europäischen Natura 2000 Schutzgebiete mit sich ziehen können. Deshalb müssen die bisher ungeprüften Konflikte der Gülleausbringung mit der Wasserrahmenrichtlinie und mit dem FFH-Recht in das Genehmigungsverfahren des Immissionsschutzrechts aufgenommen werden.
Zudem werden oft veraltete oder falsch lokalisierte Wetterdaten für Immissionsprognosen zu Grunde gelegt. So wird die Ausbreitung von Schadstoffen (für Stickstoff, Bioaerosole, Geruch etc.) auf falscher Grundlage berechnet. Der BUND fordert deshalb Wetterdaten vor Ort über die Dauer von mind. ein bis zwei Jahren zu erheben.
Eine Befristung sollte bei jeder Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erfolgen, um die Datenlage erneut beurteilen zu können und Genehmigungen zum Schutz von Mensch und Natur auch wieder zu entziehen.
Raumordnungsverfahren als Grundlage für das Immissionsschutzverfahren
Ein Genehmigungsverfahren nach BImSchG wird dann angestoßen, wenn die Größen der geplanten Stallanlage für „landwirtschaftliche Erzeugnisse“ den Werten der 4. BImSchV, Anhang 1, Nr. 7.1. entsprechen. In dieser Größenordnung fordert der BUND, dass auch ein Raumordnungsverfahren für jede Neuplanung vorgenommen werden muss. Dieses hat zwar keine unmittelbare Rechtswirkung, ist allerdings in allen nachfolgenden Planungs- und Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.
Während z.B. für die Planung von Hotelkomplexen, Feriendörfern oder den Bau einer Bundesfernstraße ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden muss, fällt die Planung von Tierhaltungsanlagen in industrieller Größenordnung nicht unter diese Prüfung. Dabei ist es von außerordentlicher Bedeutung, dass die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung und die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen geprüft wird. So würden auch in Betracht kommende Standortalternativen Gegenstand der Prüfung sein.
Ohne diese Überprüfung kommt es immer wieder vor, dass Massentierhaltungsanlagen in z.B. festgelegten Räumen für Tourismus oder Vorranggebiete für Trinkwasserschutz geplant werden. Der BUND fordert zur Umsetzung des bundesgesetzlich gebotenen Vorsorgeprinzips den Ausschluss von großen Tierhaltungsanlagen solchen in Trinkwasservorrang- und Vorbehaltsgebieten und eine Überprüfung für Tourismusräume. Hierfür ist es erforderlich, dass die landesrechtlichen Vorschriften in Mecklenburg-Vorpommern angepasst werden und zukünftig Massentierhaltungsanlagen unter „weitere raumbedeutsame Planungen von überörtlicher Bedeutung“ fallen, für die ein Raumordnungsverfahren vorzusehen ist.