BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Zerstörerische Dimension

11. August 2017

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht die Rügener Alleenlandschaft  durch den Ausbau der B96n in Gefahr. Allein für den Bau der dreispurigen Schnellstraße neben der bisherigen zweispurigen B96 sind über 100 Alleebäume gefällt worden. Die B96n soll Schwerverkehr zum Hafen Mukran und touristischen Verkehr an die Küsten bringen. Laut Planung werden täglich 13.000 Fahrzeuge mehr auf der Strecke erwartet. Wo sie bleiben sollen, weiß keiner. Die B96n führt laut BUND mehr Verkehr in die charakteristischen Alleen der Insel und verstärkt den Druck auf weiteren Straßenausbau.

Der BUND will Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Eröffnung der B96n auf Rügen ein Buch über die Europäischen Alleen mit der Aufforderung für einen konsequenten Schutz der Alleen und ein Ende des Straßenausbaus auf der Insel Rügen übergeben.

Die Eröffnung einer Schnellstraße während der Klimakonferenz in Paris wird vom BUND verurteilt. Die Emissionen des Güterverkehrs auf den Straßen seien laut Umweltbundesamt seit 1995 um 13% gestiegen. Für die B96n auf Rügen werden außerdem 13 Hektar Wald gerodet und 170 Hektar Boden überbaut. Damit ist die B96n auch ein Beitrag zum Klimakollaps.

 

Hintergrund B96n auf Rügen

Bedarf

Die grundlegend falsche Weichenstellung für den aus Sicht der Umweltverbände  überdimensionierten Ausbau der B96 resultiert aus der gesetzgeberischen Bedarfsfeststellung, auf die die Umweltverbände keinen Einfluss haben. Die Verbände kritisieren die eindimensionale Verkehrsplanung der Landesregierung, womit die verkehrliche Situation auf Rügen einzig und allein mit einem Neubau in autobahnähnlicher Dimension gelöst werden soll. Obwohl nach wie vor die Finanzierung für das gesamte Vorhaben nicht klar ist und bereits für den ersten Bauabschnitt zwischen Altefähr und Samtens Mehrkosten von über 15 Millionen Euro angefallen sind, gab es im Verkehrsministerium keine Bereitschaft, das für die Tourismusinsel Rügen völlig unangemessene Bauvorhaben deutlich zu verkleinern.

Alternativen

Die Umweltverbände BUND und NABU erkennen die Notwendigkeit einer Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur auf der Insel Rügen. Sie verfolgten deshalb das Ziel, einen umweltverträglicheren, moderaten Ausbau des Straßensystems der B96 voran zu bringen.

Dabei sollten die Verkehrstrassen gebündelt werden, um weniger Landwirtschaftsflächen für den Straßenbau in Anspruch zu nehmen. Zentrales Anliegen der Verbände war, die Erhaltungsziele des nach Europarecht geschützten Vogelschutzgebietes „Vorpommersche Boddenlandschaft und nördlicher Strelasund“ durch die dauerhafte Sicherung der Äsungs- und Rastflächen für die im europäischen Kontext wichtigsten Zugvogelarten zu gewährleisten. Auch die Lebensbedingungen für streng geschützte Arten z.B. Fledermäuse sollten besser gesichert werden.

Der Kompromissvorschlag der Verbände sah den dreispurigen Ausbau der jetzigen B 96 und die Entlastung der Ortslagen von Rambin und Samtens durch den Bau von Ortsumgehungen vor. Dafür hatten die Verbände ein Konzept erarbeitet. Der Vorschlag sichert eine verbesserte Leistungsfähigkeit der Straßentrasse ab und bindet die relevanten Gewerbe- und Tourismusziele an der Strecke an. Natur- und Umweltschutzbelange sowie der Alleenschutz waren deutlich besser berücksichtigt als mit der vorliegenden Neubauplanung. Für die Entlastung des Straßenverkehrs und unter den Bedingungen einer Insellage ist es aus fachlicher Sicht völlig ausreichend, wenn die alte B 96 durch eine dritte, flexibel einsetzbare Fahrspur ertüchtigt wird und die Ortsdurchfahrten durch neue Umgehungen ersetzt werden.

Der Kompromißvorschlag würde dennoch mehr Autoverkehr auf der Insel Rügen zulassen und ebenfalls Eingriffe in Naturräume verursachen. Deshalb halten die Verbände auch Forderungen für Verbesserungen des öffentlichen Bus- und Bahnverkehr zur Entlastung der Straßen auf der Insel aufrecht.

Geschwindigkeitswahn

"Das schönste Bundesland der Welt" - so sagt es der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Dr. Till Backhaus - darf da, wo es seine Schönheit am deutlichsten zur Schau stellt, unmöglich das schnellste sein. Das kommt einer Quadratur des Kreises gleich und widerspricht auch der durch die Landesregierung finanzierten Werbung für die besonderen Entschleunigungsqualitäten seiner Urlaubsregionen. Mit Entschleunigung zu werben und gleichzeitig auf der Tourismushochburg Rügen bewusst Beschleunigung zu zelebrieren, schließt sich aus Sicht der Verbände aus.

Tourismusbroschüren des Wirtschaftsministeriums werben für Entschleunigung und Ruhe:

"Jetzt ist Schluss mit hastig. Gar nicht so einfach, das Abtouren, das Anhalten. Aber hier, auf Wellen und unter Bäumen, werden wir rasch ruhiger. Geruhsames Hinterland.

In Mecklenburg-Vorpommern ticken die Uhren noch anders, heißt es. Wie schön. Denn in der Ruhe liegt die Kraft. Die Entdeckung der Langsamkeit - was für eine Erfahrung in einer Welt, die Zeit in Geld misst, obwohl sie doch unbezahlbar ist. Gönnen Sie sich diesen Luxus."

Urlaubsregionen erfordern spezielle ökologische und sinnlich-mentale Werterhaltungsanstrengungen. Urlaubsregionen kann daher nur empfohlen werden, die ihre eigenen Werbeschriften ernst zu nehmen und in ein Zukunftsprogramm der Qualitätssicherung mit aufzunehmen.

Zweifellos geht die Einstimmung auf den naturnahen Charakter der Insel zu großen Teilen verloren, wenn der Empfangsbereich - gewissermaßen die Rezeption der Urlaubsinsel - nur aus einem Gewirr von Straßen, Überführungen und Unterführungen, Blech und nochmals Blech besteht. Kein gut geführtes Urlaubsressort könnte sich auf Dauer eine solche Begrüßung seiner Gäste leisten. Urlaub auf der Insel beginnt im Empfangsbereich. Für diesen - also das Gebiet Westrügen - besteht noch erheblicher Gestaltungsbedarf, um touristisch reizvoller und interessanter zu werden. Dokumentiert wird diese Einschätzung auch in der Gutachtlichen Landschaftsrahmenplanung für die Region.

Für die Umweltverbände ist klar, dass sich in punkto Verkehr auf Rügen grundlegend etwas ändern muss, da die Staus und der Verkehrsstress für Urlauber und Bewohner der Insel nicht länger hinnehmbar sind. So fehlt es nach wie vor an einem innovativen Verkehrskonzept mit intelligenter und zukunftsweisender Einbindung des ÖPNV.

"Weiter so" hieße: Touristische Attraktionen und Naturschätze, wie die großen Vogelansammlungen in Frühjahr und Herbst in den betroffenen Teilen Westrügens werden aufs Spiel gesetzt. Und der Bereich Altefähr bis Bergen bleibt Durchfahrtsland, wird aber sicherlich kein Wohlfühlland.

Der Neubau der B96 wird das "Vorland" im Westen der Insel hinsichtlich seiner Entwicklungschancen massiv benachteiligen. Die Verbände wollen mehr als eine neue Straße für Westrügen. Dafür sind sie zu Kompromissen bereit.

 

Für Rückfragen:

Vor Ort: Katharina Brückmann, BUND: 0172 3848542

Marlies Preller, NABU Rügen, T: 03838/209708 oder 0176-80273090

Corinna Cwielag, BUND 0385 521339-12 

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