Berlin/Schwerin, 23.3. 2022 – Am 30. März jährt sich der katastrophale Brand in der größten Schweinezuchtanlage Deutschlands in Alt Tellin, bei dem über 60.000 Schweine starben. Anlässlich dieses Jahrestages veröffentlichen der BUND Mecklenburg-Vorpommern und Greenpeace heute ein Rechtsgutachten der Kanzlei Kremer/Werner aus Berlin (Zum Gutachten). Die Juristen haben Brandschutzkonzepte und Prüfberichte von industriellen Schweineställen in Mecklenburg-Vorpommern ausgewertet – und dabei gravierende Mängel festgestellt.
„Alt Tellin ist leider kein Einzelfall. Die Vorschriften beim Brandschutz werden regelmäßig systematisch fehlerhaft ausgelegt. Dies gilt vor allem für die Vorgaben zur Errichtung von Brandschutzwänden und die Feuerfestigkeit von tragenden Wänden und Decken. Die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern ignorieren elementare Anforderungen an den Brandschutz oder konterkarieren sie mit großzügigen Erleichterungen“, sagt BUND Landesvorsitzende Corinna Cwielag.
Die Juristen haben überprüft, welche Rechtsvorschriften zur Rettung die Landesbauordnung enthält und welche Rolle diese bei der Genehmigung von Bauten spielen. So gilt die Brandschutzvorgabe, dass in Gebäuden mindestens alle 40 Meter eine Brandschutzwand eingezogen werden muss, also ein Brandabschnitt maximal 1600m2 groß sein kann. In Alt Tellin wurde aber ein Brandabschnitt genehmigt, der 13 Mal so groß ist, 21.790m2. In der Schweinemast- und Ferkelaufzuchtanlage Viezen wurden Brandabschnitte mit einer Grundfläche von 4.300 und 6.400 m2 zugelassen. Und in der Schweinemastanlage Medow sind die Brandabschnitte ebenfalls vier Mal so groß wie gesetzlich vorgegeben.
„Wir fordern die Landesregierung auf, diesen Wildwuchs zu beenden und bei sämtlichen Nutztierställen den Brandschutz zu überprüfen, damit sich Katastrophen wie in Alt Tellin nicht wiederholen. Es gibt kein Recht auf den Weiterbetrieb eines industriellen Tierstalles, wenn im Brandfall die überwiegende Anzahl der Tiere elendig zu Tode kommen würde. Die zuständigen Bauaufsichten müssen flächendeckend kontrollieren, ob ausreichende und realistische Rettungsmöglichkeiten gegeben sind. Ansonsten müssen die Betriebe umgehend nachrüsten oder aber stillgelegt werden,“ fordert Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace.
Bei einem Brand muss die Rettung von Menschen und Tieren möglich sein. Tiere sind nach dem Grundgesetz Art 20a GG zu schützen und keine Ware. In den vergangenen 20 Jahren wurden in Mecklenburg-Vorpommern Ställe genehmigt und gebaut, bei denen es häufig unmöglich ist, die Tiere im Brandfall zu retten. Die Feuerwehr hat keine Chance vor Ort zu sein, bevor sich die Brände unkontrollierbar ausbreiten und Dachkonstruktionen einbrechen. In Alt Tellin konnten nicht einmal drei Prozent der Tiere gerettet werden, weil sich der Brand ohne die Brandmauern sehr schnell ausdehnte und die Stallgebäude aufgrund der billigen Konstruktionsweise sehr schnell einsturzgefährdet waren. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) hat sich in den über 20 Jahren seiner Amtszeit immer wieder für die Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen stark gemacht.
Achtung Redaktionen: Rückfragen bitte an Martin Hofstetter, Tel. 0171–8706645, oder Pressesprecherin Nina Klöckner, Tel.0160-4339100. Das Gutachten finden Sie hier: https://www.greenpeace.de/publikationen/unzureichender-brandschutz-tierstaellen
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