BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.
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Keine Verbesserungen nach Brandkatastrophe Alt Tellin

12. Juni 2024

BUND: neue Richtlinie zum Brandschutz in Tierhaltungsanlagen enttäuschend

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert die von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern verabschiedete Richtlinie zu bauaufsichtlichen Anforderungen an den Brandschutz in Tierhaltungsanlagen als wirkungslos.

BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag: „Drei Jahre nach der Brandkatastrophe in der Megastallanlage Alt Tellin gibt es praktisch keine Verbesserungen. Die Brandabschnitte für geschlossene Stallbauten werden in der Richtlinie nicht verbindlich verkleinert und die Stallbauten können weiterhin in so leichter Bauweise errichtet werden, dass die tragenden Bauteile in der Hitze des Brandes in kurzer Zeit zusammenstürzen. In der Richtline wird lediglich vorgeschrieben, dass die tragenden und aussteifenden Wände sowie Stützen die Feuerwiderstandsfähigkeit „feuerhemmend“ haben müssen. Dies bedeutet nach 30 Minuten Brand ist die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet. Genau das war in Alt Tellin der Fall. Die Feuerwehr konnte nach kurzer Zeit das Stallgebäude gar nicht mehr betreten, um Tiere zu retten.“

Der BUND legte zum Entwurf der geplanten Richtlinie „Bauaufsichtliche Anforderungen an den Brandschutz in Tierhaltungsanlagen“ im Juli 2023 eine ausführliche Stellungnahme auf Basis eines Gutachtens zum Brand von Alt Tellin vor. Leider wurden die Argumente des BUND nicht berücksichtigt. „Die Begründung der Landesregierung für die Abweisung unserer Hinweise lässt klar erkennen, dass die entsprechenden Regelungen nicht der Gewährleistung einer Rettungsmöglichkeit der Tiere dienen, sondern der Gewährleistung von rentablen Baukosten. Sowohl in Bezug auf kleinere Brandbekämpfungsabschnitte als auch in Bezug auf höhere Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer wird im Schreiben der Landesregierung auf „realisierbare Möglichkeiten“ und „Baukosten“ verwiesen“, sagt Corinna Cwielag vom BUND.

Cwielag weiter: „Die Richtlinie gilt ohnehin nur für zukünftige Stallbauten. Im Bestand gibt es gar keine Verbesserungen. Gleichzeitig haben die Betreiber der abgebrannten Megastallanlage in Alt Tellin die Verlängerung der Genehmigung bei der Genehmigungsbehörde im StALU in Neubrandenburg beantragt. Wir müssen damit auch im dritten Jahr nach der Brandkatastrophe bei Alt Tellin konstatieren, dass es keine substanziellen brand- und tierschutzrechtlichen Verbesserungen für Tierhaltungsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Damit sind die Inhalte unserer von mehr als 6300 Personen gezeichneten Petition an den Landtag Mecklenburg-Vorpommern nicht erfüllt worden.

Für Rückfragen: Corinna Cwielag, BUND M-V, T. 0385 52133912 oder 0178 5654700

Hintergrund:

Richtlinie zur Konkretisierung der Landesbauordnung (Richtlinie „Bauaufsichtliche Anforderungen an den Brandschutz in Tierhaltungsanlagen“)

Verantwortlich für den Entwurf der Landesregierung zur Richtlinie war eine Arbeitsgruppe des Bauministeriums mit dem Landwirtschaftsministerium M-V. Die Arbeitsgruppe legte erst 2 Jahre nach der Brandkatastrophe der Sauenanlage von Alt Tellin einen Entwurf vor. Der BUND hat den Entwurf dieser Arbeitsgruppe in seiner Stellungnahme scharf kritisiert, weil er in wesentlichen Eckpunkten noch hinter den bisherigen Vorgaben zurückbleibt. Laut Richtlinie werden die Brandabschnitte zukünftig nach Rauminhalt und nicht nach Flächengröße der Stallgebäude berechnet. Dafür wird eine maximale Größe von 10.000 Kubikmetern angegeben. Bei einer Raumhöhe von 4 Metern wären die Brandabschnitte 2.500 Quadratmeter groß und damit größer als die bisherigen allgemeinen Vorgaben der Landesbauordnung von 1.600 Quadratmetern. Unter Nr. 4.3.1 heißt es im ersten Satz, dass geschlossene Tierhaltungsanlagen nicht mehr als zwei Brandabschnitte haben dürfen. Eine Größenbegrenzung im Interesse des Brandschutzes ist damit jedoch nicht gegeben. Bei Megastallanlagen wie Alt Tellin, Fahrbinde und Medow wurden bis zu 17 Stallgebäude aneinandergebaut. Das Abstellen auf den Rauminhalt ist nach Auffassung des BUND in keiner Weise sachgerecht, weil es mit Blick auf den Brandschutz und die Tierrettung keinen Sinn ergibt.

Für tragende Konstruktionsteile des Gebäudes legt die Richtlinie lediglich die Feuerwiderstandsfähigkeit „feuerhemmend“ (FS30) fest. Das bedeutet, dass tragende Wände und Stützen einem Feuer nur über 30 Minuten standhalten müssen und nach 30 Minuten ihre gewährleistete Statik verlieren können. Ein Zeitraum von 30 Minuten ist jedoch in der Regel viel zu kurz bemessen, um eine Rettung der Tiere überhaupt zu ermöglichen. Der BUND fordert, dass mindestens 120 Minuten Zeit sein muss, die tragenden Bauteile also eine Widerstandklasse FS 120 haben müssen.

Am 30.März 2021 brannte die Megastallanlage Alt Tellin ab. Über 60.000 Tiere[1] verbrannten, bzw. erstickten am Rauch. Der Brand dehnte sich durch fehlende Brandmauern sehr schnell aus. Die Behörden hatten großzügige Abweichungen von den Vorschriften der Landesbauordnung zugelassen und die Brandabschnitte 13-mal so groß genehmigt, wie es bis dahin zulässig war, nämlich 21.790 Quadratmeter statt 1.600 Quadratmeter. Damit war es für die Feuerwehren unmöglich, das Feuer wenigstens auf einzelne Abschnitte zu begrenzen und die Tiere zu retten. Die Brandreste der Anlage wurden innerhalb eines Jahres komplett beräumt. Am 30. März 2024 wäre die Genehmigung der Megastallanlage erloschen. Wird eine Anlage während eines Zeitraums von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben, erlischt gemäß § 18 Absatz 1 Nummer 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) die Genehmigung. Die Schweinezucht Alt Tellin GmbH hat am 20. November 2023 vorsorglich die Verlängerung des Genehmigungszeitraumes nach § 18 Absatz 3 BImSchG um ein Jahr bis zum 30. März 2025 beantragt. Dieser Antrag ist bislang nicht beschieden. Bei der Verlängerung der Genehmigungsfrist würde aufgrund geltender Rechtsprechung ein Weiterbetrieb ohne erneute Prüfung des Brandschutzes und des Tierschutzes möglich sein.

Der BUND richtete nach der Brandkatastrophe 2021 gemeinsam mit dem Tierschutzbund eine Petition an den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Darin wurde das Land aufgefordert, die Genehmigung für die Schweinezuchtanlage Alt Tellin zurückzunehmen und umgehend Vorsichtsmaßnahmen bei ähnlichen Anlagen mit industriellen Haltungsmethoden und unmittelbar benachbarten Güllespeichern, Gasspeichern und Biogasanlagen zu treffen. Im April 2021 forderte der Landwirtschaftsminister die Landkreise auf, den Brandschutz von Anlagen in ihrem Zuständigkeitsbereich zu überprüfen. Änderungen gab es nicht. Auf Nachfrage des BUND gab zum Beispiel der Landkreis Vorpommern Greifswald an: „Forderungen im Nachhinein bei bestehenden bzw. genehmigten Anlagen mit dem dazugehörigen Brandschutzkonzept sind nur bei Verstößen gegen die Auflagen, Nebenbestimmungen, Rechtsvorschriften oder allgemein anerkannte Normen (DIN) möglich.“ Ein anderer Landkreis antwortete dem BUND, dass der Arbeitsaufwand für die Überprüfung erheblich sei.

Außerdem forderte der Landwirtschaftsminister das Bauministerium (Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern) im April 2021 auf, die Vorschriften der Landesbauordnung zur Rettung von Menschen und Tieren im Brandfall zu konkretisieren. Der BUND hatte dazu 2022 gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund und Greenpeace ein Gutachten [2] vorgelegt. Die nun beschlossene Richtlinie wird vom BUND stark kritisiert.

Stand 12.06.2024

 


[1] Nach Angaben des Veterinäramtes vom 21.04.2021 hatte die LFD zum 01.01.2020 einen Gesamtbestand von 62.835 Tieren gemeldet. Im Gesamtbestand werden die Saugferkel mitgezählt, die sonst nicht zu den Tierplätzen zählen.

[2] WERNER 2022: Unzureichender Brandschutz in industriellen Tierställen in M-V Erhebliche Vollzugsdefizite und Handlungspflichten der Behörden

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