Ziel der FFH-Richtlinie ist es, Artenvielfalt zu bewahren, indem sie die Lebensräume von Tieren und Pflanzen besonders schützt. In Deutschland sind die Bundesländer dafür zuständig, zu überprüfen, ob Aktivitäten in Schutzgebieten mit diesem Ziel vereinbar sind. Derartige Verträglichkeitsprüfungen für landwirtschaftliche Projekte finden aber derzeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht statt. Dabei sind sie dringend notwendig, denn bereits seit Jahren sind Schutzgebiete in sehr schlechtem Zustand. Eine zentrale Ursache dafür ist die landwirtschaftliche Nutzung in diesen Gebieten.
Schutzgebiete sind essenziell, um die Klima- und Biodiversitätskrise aufzuhalten. Sie zu schützen und zu bewahren ist unerlässlich, um weiterhin frisches Wasser, fruchtbare Böden und saubere Luft zu haben. Aber auch für die Landwirtschaft selbst ist Artenvielfalt unerlässlich – nur so werden auf den Feldern Nutzpflanzen bestäubt, agieren Tiere als natürliche Schädlingsbekämpfung und die Bodenqualität bleibt erhalten.
Dazu Dr. Jennifer Seyderhelm, Juristin bei ClientEarth: „Wir können gleichzeitig Artenvielfalt schützen und eine ertragreiche Landwirtschaft gewährleisten – das ist miteinander vereinbar und sollte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Aber dafür brauchen wir politischen Willen und politische Lösungen. Darauf zielt unsere Klage gegen die Landesregierung.“
Dr. Rica Münchberger, Geschäftsführerin NABU Mecklenburg-Vorpommern: „Die katastrophalen Zahlen aus unserem Land zum Zustand der Schutzgebiete zeigen, dass es nicht reicht, theoretische Vorgaben zu erfüllen und Schutzgebiete einfach nur auf dem Papier zu melden. Ohne substanzielle Maßnahmen gibt es keinen wirksamen und zielführenden Schutz.“
Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND Mecklenburg-Vorpommern: „Die Landesregierung trägt Verantwortung, die Schutzgebiete in Mecklenburg-Vorpommern zu bewahren. Der BUND hat viele Jahre Vorschläge erarbeitet, die eine naturverträgliche Landwirtschaft ermöglichen würden. Der Zustand vieler Arten und Landschaften in der Agrarlandschaft wird währenddessen dramatisch schlechter. Es gibt immer weniger Amphibien, Feldlerchen und Kiebitze. Deshalb begrüßt und unterstützt der BUND diese Klage von ClientEarth.“
Hinweise an die Redaktion:
Mit der Klage zielt ClientEarth auf den Schutz von Natura 2000-Gebieten. Natura 2000 ist ein europaweites Netz von Schutzgebieten mit dem Ziel, Arten und Lebensräume zu schützen und zu erhalten. Die FFH-Richtlinie sieht vor, dass Tätigkeiten in Schutzgebieten auf die Verträglichkeit mit dem Erhaltungsziel der Richtlinie geprüft werden müssen.
Die Umsetzung der FFH-Richtlinie ist Aufgabe der Mitgliedstaaten. Die rechtliche Sicherung der Natura 2000-Gebiete obliegt in Deutschland den Bundesländern. Zahlreiche Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern gehören zu diesem europäischen Schutzgebietsnetz.
Mecklenburg-Vorpommern hat eine landesweite Regelung zur Ausweisung von und den Umgang mit Schutzgebieten. Allerdings fehlt darin eine Regelung zur Anwendung von Verträglichkeitsprüfungen bei landwirtschaftlicher Tätigkeit, sodass diese in der Praxis nicht durchgeführt werden. Es besteht folglich ein Vollzugsdefizit, auf dessen Behebung die Klage hinwirkt.
Eine Nutzung von Natura 2000-Gebieten durch Menschen ist nach der Richtlinie nicht ausgeschlossen. Sie zielt vielmehr darauf ab, wirtschaftliche und soziale Belange mit der Erhaltung wertvoller Naturräume und der biologischen Vielfalt in Übereinstimmung zu bringen.
Der schlechte Zustand der Natura-2000-Gebiete ist mehrfach belegt:
- Ausweislich des Natura-2000-Landesberichts Mecklenburg-Vorpommerns befinden sich 97% der Lebensraumtypen und 65% der Arten in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand.
- Laut der Halbzeitbilanz des Biodiversitätskonzeptes Mecklenburg-Vorpommerns nimmt der Anteil an Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert stetig ab.
- Berichte auf Landes- und Bundesebene zeigen außerdem, dass Landwirtschaft zu den wichtigsten Ursachen für den schlechten Erhaltungszustand von Lebensräumen und Arten zählt.
Über ClientEarth – Anwälte der Erde
ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt um die Erde und ihre Bewohner*innen zu schützen. Zusammen mit Bürger*innen und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteur*innen in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.
Pressekontakte
Johanna Famulok, Senior Communications Officer, ClientEarth, jfamulok(at)clientearth.org , Tel. +49 30 726211926
Dr. Rica Münchberger, Geschäftsführerin NABU Mecklenburg-Vorpommern, lgs(at)nabu-mv.de , Tel. +49 171 1487032
Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND Mecklenburg-Vorpommern, corinna.cwielag(at)bund.net , Tel.: +49 385 52 13 39 12, Mobil: +49 178 5654700
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