BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

EU-Beschwerde Wismarbucht

01. Juni 2021

Beschwerde bei der EU – das Land Mecklenburg-Vorpommern kommt seinen vertraglichen Verpflichtungen zum Schutz der Natur nicht nach / Ökosystem in der Wismarbucht stark gefährdet

Seegras - stark bedroht, Foto: Wolf Wichmann

BUND deckt schwerwiegende Versäumnisse der Landesregierung auf und fordert endlich einen wirksamen Naturschutz für alle Natura2000-Gebiete

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Mecklenburg-Vorpommern hat eine umfassende Beschwerde zum Umgang des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit dem Europäischen Natura 2000 Naturschutzgebiet Wismarbucht an die Europäische Kommission gerichtet. Die Wismarbucht steht wegen ihrer sehr hohen Bedeutung für Brut- und Rastvögel sowie für 18 besonders schützenswerte Unterwasser- und Küstenbiotoptypen unter Schutz. Der BUND befürchtet den Zusammenbruch des Ökosystems durch zunehmende Störungen, Eingriffe und Schadstoffeinträge.

Die Beschwerde des BUND bei der Europäischen Kommission zeigt akribisch auf, dass das Land fortwährend Verschlechterungen des Schutzgebietes zulässt ohne geeignete Maßnahmen zur Verbesserung durchzuführen. Der BUND hat die Europäische Kommission darum gebeten, die Beschwerde in das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des fehlenden Schutzes für Natura 2000-Gebiete aufzunehmen. Das Versäumnis von konkreten Maßnahmen für den Schutz von Arten- und Lebensräumen in der Wismarbucht trifft auch auf die anderen Natura 2000 Gebiete in M-V zu.

Der BUND beruft sich in der Beschwerde auf die gutachterlich belegten schlechten Erhaltungszustände für 76 % aller Brutvögel und 79 % aller Rastvögel der Wismarbucht. Gutachter, die von der Landesregierung bestellt waren, ordneten die Vogelbestände in die schlechteste Erhaltungskategorie „C“ ein und schlugen bereits vor Jahren die Ausweisung von verbindlichen Naturschutzgebieten mit gesetzlich festgelegten Verordnungen innerhalb der Wismarbucht vor. „Das Land hat jedoch die Ausweisung unterlassen und stattdessen weitere Eingriffe und störende Nutzungen zugelassen“, sagt BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag.

Konkret führt der BUND in der Beschwerde illegale Bauwerke im Küstenschutzstreifen mit starker Störwirkung auf die geschützten Vögel und die seltenen Arten der Küste, die Erweiterung der Fahrrinne in der Wismarbucht mit Baggerungen, die ohne Verträglichkeitsprüfung als Unterhaltungsbaggerung zugelassen wurden, die Erweiterung von Wassersportarealen für Kitesurfer entgegen der Freiwilligen Vereinbarung zwischen Wassersport und Naturschutz, den Betrieb eines Sportflugplatzes mit Start- und Landevorgängen über den Vogelrastplätzen und die Einleitung wassergefährdender Stoffe aus industrieller Tierhaltung in besonders empfindliche Wasserlebensräume auf. Der BUND wirft dem Land zudem vor, die personellen Kapazitäten für die gesetzliche Aufsicht und Ausweisung von Naturschutzgebieten mit einer halben Stelle für über 300 Naturschutzgebiete zu gering zu halten und die staatliche Naturschutzverwaltung durch die Personalpolitik des Landes zu vernachlässigen.

Besonders Areale für Surfen und Kitesport als schnelle Wassersportarten seien mit erheblichen Störwirkungen für die Vogelwelt und die geschützten Lebensräume verbunden. Schon einzelne Kitesurfer räumen Gebiete bis zu 8 Hektar, so der BUND. Die Gutachter des Landes selber stuften diese von der Landesregierung nachträglich zugelassenen Gebiete als „unverträgliche“ Nutzungen ein und urteilten, dass sie die Schutzziele des Europäischen Vogelschutzgebietes Wismarbucht massiv gefährden.

Als Verstoß gegen geltendes EU-Recht stuft der BUND das Vorgehen des Landes bei sogenannten „Unterhaltungsbaggerungen“ der Fahrrinne ein.

„Die verbindlich festgelegten Maximaltiefen für die Fahrrinne Wismar wurden still und heimlich überschritten. Das ist faktisch eine Vertiefung und damit ein Verstoß gegen die Planfeststellungspflicht laut §§ 12, 14 Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) gewesen. Die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung fand nicht statt.“, sagt Dr. Andreas Schwienhorst vom BUND Regionalgruppe Salzhaff und Mitglied des BUND-Landesvorstandes.

Der Betrieb eines Flugplatzes am Vogelschutzgebiet wird vom BUND als unverträgliche Störung an die EU-gemeldet. Dr. Andreas Schwienhorst: „Der Betrieb des Flugplatzes Zweedorf ist laut Urteil des Verwaltungsgerichtes Schwerin (7 A 1757/11) nachweislich „illegal“. Er wird aber durch die Landesregierung weiter gestattet. Schon vor dem Urteil war die Landesregierung M-V nicht gegen Flugzeuge ohne gültige Zulassungen vorgegangen, die massenhaft am Platz operierten.“

BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag: „Der BUND macht gegen das Artensterben mobil und weist nach, dass nur konsequente Maßnahmen wie die Neuausweisung von Naturschutzgebieten und die lange schon überfällige Aufstellung von verbindlichen Befahrensregeln den gefährdeten Arten eine Chance auf Überleben einräumt. Der BUND fordert die konsequente Überprüfung der Umweltverträglichkeit der schnellen Wassersportarten in allen Bereichen, in denen diese ausgeübt werden sollen. Freiwillige Vereinbarungen als einzige Schutzinstrumente sind unzureichend und in vielen Arealen untauglich. Sie entbinden die Landesregierung nicht von ihren gesetzlichen Naturschutzverpflichtungen und den Richtlinien der EU. Nach geltender Rechtsprechung muß Naturschutz gegenüber Dritten auch durchsetzbar sein. Das ist bei der aktuellen Natura2000-Landesverordnung nicht gegeben. Der BUND fordert, dass in der Landesverordnung notwendig Verbotstatbestände und die Ahndungen bei Zuwiderhandlungen benannt werden.“

Die Einleitung von Nährstoffen gilt auch gutachterlich als eines der größten Probleme für die flachen Meeresbuchten der Wismarbucht, die zu wichtigen Jungfischgebieten gehören. „Doch die mangelhafte Kontrolle von Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen führt immer wieder zu verheerenden, großflächigen Vergiftungen des Wassers. So leitete eine Mastanlage 2018 kurz nach ihrer letzten amtlichen Kontrolle aufgrund fehlender Sicherheitstechnik große Mengen Gülle in den Hellbach, die auf einer Länge von 10 Kilometern sämtliches Leben abtötete. Der Hellbach war bis dahin Laichgewässer für 80 % aller Meerforellen der Wismarbucht.

„Die Natur der Wismarbucht ist unsere Heimat. Es ist traurig, dass wir gezwungen sind, den Weg über die EU zu beschreiten, um der Landesregierung M-V den Wert der Natur nahezubringen und den Zusammenbruch des Ökosystems Wismarbucht und das Aussterben vieler Arten doch noch zu verhindern“, sagte Dr. Andreas Schwienhorst, Vorsitzender der Ortsgruppe Salzhaff-Rerik und Vorstandsmitglied des BUND-Landesverbandes M-V.

Für Rückfragen: Corinna Cwielag, BUND-Landesgeschäftsführerin, T. 0178 5654700 oder 0385 521339 12

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