BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.
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Dialog im Boot

19. August 2024

BUND initiiert Austausch zur Zukunft der Elbe

Am heutigen Montag startet der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) zu einer 17 Kilometer langen Flussfahrt in einem großen unmotorisierten Schlauchboot von Dömitz (Mecklenburg-Vorpommern) nach Hitzacker (Niedersachsen). Am „Dialog im Boot“ nehmen 20 Personen aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft teil. Die Debatte dreht sich um eine der letzten großen noch relativ naturnahen Flusslandschaften Mitteleuropas: Die Elbe.

Sie ist ein umstrittener Fluss. Die einen sehen in ihr eine Wasserstraße, deren Potential es noch zu heben gilt. Die anderen sorgen sich. Sie sehen in der fortgesetzten Einengung des Flussbetts um Schifffahrt zu ermöglichen eine Gefahr für das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, die Kulturlandschaft und den Elbe-Tourismus. Seit Anfang der 1990er Jahre setzt sich der BUND intensiv für den Schutz dieses besonderen Flusses ein.

Im Jahr 2002 lud der Umweltverband zum ersten Mal ins Boot zum Dialog. Die Passagiere aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen können so den Fluss erleben und kennenlernen. Gemächlich bewegt man sich mit der Strömung der Elbe und hat Zeit für den Austausch direkt vor Ort. Ca. 750 Gäste sind schon zugestiegen, um bei dieser besonderen Flussfahrt den Fluss zu erkunden.

Im Mittelpunkt dieser Dialog-Tour stehen die Planungen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung zum Ausbau der Elbe zwischen Dömitz und Hitzacker, der so genannten Reststrecke. Auf dieser 13 Kilometer langen Strecke ist das Flussbett bis zu 60 Meter breiter als die Elbe stromauf- und stromabwärts. Um die Fahrrinne von wandernden Sandbänken freizuhalten, sollen beispielsweise neue Parallelwerke gebaut werden. Zugleich müssen jedoch auch die ökologischen Ziele erreicht werden. So sieht es das Gesamtkonzept, von Bund und den Elbanrainerländern 2017 verabschiedet, vor. Umweltorganisationen sind skeptisch, ob beide Ziele gemeinsam erreicht werden können.

Auf der freifliessenden Elbe zwischen deutsch-tschechischer Grenze und der Einmündung des Elbe-Seitenkanals spielt der Gütertransport mit weniger als 0,2 Millionen Tonnen pro Jahr kaum noch eine Rolle. Die Wirtschaft nutzt den parallel zur Elbe verlaufenden Elbe-Seitenkanal. Bei einer Wassertiefe von mindestens 2,80 Meter können Schiffe voll abgeladen fahren und transportieren 6 bis 7 Millionen Tonnen im Jahr. Unabhängig von Trockenperioden können hier Güter transportiert werden, hebt die Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung selbst die Vorteile des Kanals gegenüber der Elbe hervor. Nach dem bevorstehenden Neubau der vergrößerten Schleuse bei Scharnebeck soll dieser Wert noch steigen.

Ist der Ausbau der „Reststrecke“ der Elbe, um ein Fahrrinnentiefen-Ziel von nahezu ganzjährig mindestens 1,40 Meter herzustellen, notwendig und zielführend? Der frei fließende Fluss ist auf seiner gesamten Länge durch lang anhaltende und extreme Niedrigwasser geprägt, die den Güterverkehr jedes Jahr über Monate einschränken oder unmöglich machen. Auch die Frage nach der Eintiefung der Flusssohle wird eines der Themen sein, die mit den Boots-Reisenden diskutiert werden wird. 80 cm liegt die Elbe an diesem Abschnitt tiefer als vor den baulichen Eingriffen für die Schifffahrt. Könnte die Tiefenerosion durch die Baumaßnahmen wieder angeheizt und damit die umgebende Flusslandschaft noch mehr ausgetrocknet werden?

An der Dialog im Boot-Tour nehmen u.a. teil:

  • Dr. Franziska Kersten, MdB, SPD
  • Frau Dunja Kreiser, MdB, SPD, Sprecherin der Parlamentariergruppe ‚Frei fließende Flüsse‘
  • Dr. Julia Verlinden, MdB B’90 / DIE GRÜNEN
  • Uwe Dorendorf, MdL in Niedersachsen, CDU, stellv. Landesvorsitzender Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) in Niedersachsen
  • Dagmar Schulz, Landrätin von Lüchow-Dannenberg
  • Dr. Martin Pusch, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
  • Dr. Erich Bäuerle, Diplom-Ozeanograph
  • Ulrike Wolf, Referentin für Umwelt- und Klimaschutz, Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
  • Sven Ebeling, Geschäftsführer des Kreisverbands der Wasser und Bodenverbände
  • Karsten Borggräfe, Stiftung Lebensraum Elbe
  • Eventzeichnerin und Illustratorin Christine Gebreyes
  • Till Krause von der Galerie für Landschaftskunst
  • Patrick Rohde, Interim Geschäftsführung Politik des BUND e.V.
  • Viktor Linsel, Ko-Vorsitzender und klimapolitischer Sprecher des Kreisverbands Die LINKE, Wendland
  • Petra und Werner Schulze: BUND Regionalverband Elbe-Heide

Für O-Töne von Mitfahrenden kontaktieren Sie uns bitte unter 0178 – 163 0204.

 

Hintergrund:

Gesamtkonzept Elbe (GKE)
Das Gesamtkonzept Elbe (https://www.gesamtkonzept-elbe.de/) befasst sich mit der Elbe zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Geesthacht kurz vor Hamburg. Es wurde im Januar 2017 vom Bundesverkehrs- und dem Bundesumweltministerium sowie den Anrainer-Ländern Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam verabschiedet. In die Erarbeitung und Umsetzung sind Umweltorganisationen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Kirche beratend einbezogen.

Als Grundlage für das Verwaltungshandeln der Landes- und Bundesbehörden in den kommenden 20 bis 30 Jahren soll das GKE die Ziele Schifffahrt und Erhalt des wertvollen Naturraums in Einklang bringen. Die unterschiedlichen Interessen sollen dabei gleichrangig behandelt werden. Keine Maßnahme zur Erreichung eines Ziels darf ein anderes Ziel behindern.

Das verkehrliche Ziel, ist eine nahezu ganzjährige Fahrrinnentiefe von 1,40 Meter über den gesamten Verlauf der frei fließenden Elbe herzustellen. Eine Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass die Elbe nahezu ganzjährig ausreichend Wasser führt. Gleichzeitig müssen die ökologischen Ziele nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie und zum Auenerhalt erreicht werden. Die Daten, von denen die Verkehrsziele des GKE abgeleitet wurden, stammen aus den Jahren 2013 und früher. Für das Wasserdargebot wurden mit dem Gleichwertigen Wasserstand (GlW) 2010 die Jahre 1991 bis 2010 zugrunde gelegt. Seitdem haben sich das Wasserdargebot aber auch die ökologischen Rahmenbedingungen in der Elb-Aue und ihr Zustand erheblich geändert.

Schon vor Verabschiedung des GKE Anfang 2017 äußerten die Umweltverbände starke Zweifel, ob die unterschiedlichen GKE-Ziele gleichzeitig erreichbar sein werden. Dies wurde auch im GKE festgehalten. Die Trockenheit der letzten Jahre verstärkt diese Skepsis beim BUND, insbesondere was die verkehrlichen Ziele betrifft. Bis Ende 2018 sollten laut Gesamtkonzept Elbe erste Vorschläge und erste Ergebnisse erarbeitet werden. Trotz dringenden Handlungsbedarfs kommen die angekündigten ökologischen Maßnahmen jedoch kaum voran. Dazu gehört auch die wichtige ökologische Aufgabe des „Stopps und der Umkehr der Sohlerosion“. Grundsätzlich fehlen bisher für die ökologischen Ziele messbare Zielparameter und ein Maßnahmenkonzept, wie sie zu erreichen sind.

Ökologischer Zustand der Elbe
Das derzeit größte ökologische Problem der Elbe ist die vom Menschen verursachte Tiefenerosion. Unter anderem aufgrund von Laufverkürzungen und der Festlegung des Flussbettes gräbt die Elbe sich zwangsweise immer tiefer in ihr Bett aus Sand ein. Schon bis zu zwei Meter ist der Wasserspiegel in einigen Abschnitten in den letzten 130 Jahren gesunken. Die Folgen : Mit dem Wasserspiegel des Flusses sinkt auch weiträumig das Grundwasser in den Elbauen und in der begleitenden Landschaft. Das trägt dazu bei, dass sowohl ökologisch und klimatisch wertvolle Auenwälder als auch kulturell bedeutende Flusslandschaften wie das UNESCO Welterbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich immer weiter von Austrocknung bedroht sind. Deshalb muss die Tiefenerosion umgehend gestoppt und die Sohle wieder angehoben werden. Dies sieht auch das Gesamtkonzept vor.

Rückfragen:

Iris Brunar, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Biodiversität, Mobil: 0178 - 163 02 04, iris.brunar(at)bund.net

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