BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

BUND zu Fischbeständen in der Ostsee und Fischfangquoten – Politik muss endlich auf die Wissenschaft hören

16. Oktober 2020 | Flüsse & Gewässer, Meeresschutz, Meere, Ostsee, Tierschutz, BUND

Wieder einmal mahnen Wissenschaftler*innen, dass Fischbestände vor dem Kollaps stehen. Das GEOMAR in Kiel empfiehlt einen Fangstopp für Hering und Dorsch aus der westlichen Ostsee für die kommende Fischfangsaison. Der Nachwuchs von Hering und Dorsch fällt in diesem Jahr fast vollständig aus, wie Fischereiforscher*innen und beteiligte Fischer*innen festgestellt haben. Die Quoten für das nächste Jahr werden ab kommenden Montag neu verhandelt. Die EU-Kommission geht in ihrem Vorschlag für die Ostsee auf den schlechten Zustand von Hering und Dorsch ein.

Der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) fordert die zuständigen Ministerien in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und der Bundesregierung dazu auf, den Empfehlungen der Wissenschaft endlich vollumfänglich zu folgen. „Wenn wir in Zukunft noch eine auskömmliche Küstenfischerei haben wollen, dann muss man die Fischerei auf gefährdete Bestände und Arten jetzt ruhen lassen - sowohl die kommerzielle als auch die Hobby-Angelfischerei“, kommentiert Meeresbiologin Susanna Knotz vom BUND Mecklenburg-Vorpommern. „Natürlich muss das sozialverträglich ablaufen und den betroffenen Fischereibetrieben muss eine Alternative geboten werden. Dorsch und Hering sind die Brotfische der Küstenfischerei in der Ostsee.“

Jahrelang habe die Politik Fangquoten festgelegt, die über den wissenschaftlichen Empfehlungen lagen, um kurzfristige Interessen zu bedienen, statt eine langfristig nachhaltige Strategie zu verfolgen, die gesunde Fischbestände auch für die Zukunft sichert. „Nun erhalten wir die Quittung für diese jahrelange Missachtung der Tatsachen.
In Kombination mit der Erhitzung der Meere und veränderten Wind- und Strömungsverhältnissen, der Ausdehnung von Sauerstoffmangelgebieten und der noch immer zu hohen Nährstoffeinträge in die Ostsee kann das für Hering und Dorsch fatale Auswirkungen haben, wie sich jetzt zeigt,“ so Meeresbiologin, Susanna Knotz weiter.

Aufgrund der geringeren Bestandsdichte der Fischpopulationen ist auch ihre genetische Vielfalt eingeschränkt. Dadurch ist die Anpassungsfähigkeit eines Fischbestandes an veränderte Umweltverhältnisse wie durch den Klimawandel eingeschränkt. Hering und Dorsch werden überleben. Sie legen Tausende bis Millionen von Eiern - je größer die Elterntiere, desto mehr. Aber die Fischerei wird längere Zeit nicht mehr wie gewohnt stattfinden können, die Umweltverhältnisse bleiben problematisch.

Schon am 19. und 20. Oktober treffen sich die Fischereiminister*innen der EU und beschließen die Fangquoten für das nächste Jahr. In der Corona-Pandemie haben wir doch gelernt auf die Wissenschaftler*innen zu hören – tun Sie es jetzt auch, fordert der BUND. Die Ostsee braucht eine nachhaltige Fischerei-Strategie, zum Wohle des Ökosystems und zum Wohle einer nachhaltigen Fischerei. Weiter wie bisher darf nicht mehr das Motto sein und niemandem ist geholfen, wenn kurzfristige Interessen die Fischbestände zerstören.

Kontakt und Rückfragen:
Dr Susanna Knotz, BUND-MV, Büro Rostock, schatzkueste(at)bund-rostock.de, 01525-3622 084

Hintergrundinformationen zu den Gründen für die Nachwuchsprobleme bei Dorsch und Hering:

Der Greifswalder Bodden ist das Hauptlaichgebiet für den Heringsbestand der deutschen Ostsee. Rund 80% der Heringe von der Schlei-Förde im Norden Schleswig-Holsteins bis zum Stettiner Haff im Osten Mecklenburg-Vorpommerns sind als Larven im Greifswalder Bodden geschlüpft. Heringe laichen aufgrund hoher Wintertemperaturen zu früh ab, so dass die geschlüpften Larven verhungern. Fischlarven fressen in erster Linie kleine Planktonkrebse. Diese entwickeln sich erst in ausreichenden Mengen, wenn sich Planktonalgen, ihre Nahrung, in größeren Mengen vermehrt haben. Diese Algenentwicklung ist abhängig von den im Frühjahr zunehmend günstigeren Lichtverhältnissen und weniger von der Temperatur. Das alles geschieht zu spät für die zu früh schlüpfenden Fischlarven.
Dorsche legen ihre Eier ins Freiwasser ab. Diese schweben im salzhaltigen Tiefenwasser, wo in der Ostsee inzwischen oft der Sauerstoff fehlt, weshalb Eier und Larven oft ersticken. Das Tiefenwasser der Ostsee wird immer dann mit Sauerstoff angereichert, wenn salziges Meerwasser in großen Einstromereignissen aus der Nordsee zufließt. Die Umweltverhältnisse in der Ostsee haben sich so verändert, dass diese Einstromereignisse weniger lange vorhalten. Die Nährstoffbelastung der Ostsee fördert zugleich sauerstoffzehrende Abläufe im Meeres-Ökosystem.

Wissenschaftliche Informationen dazu können z.B. hier nachrecherchiert werden:

Institut für Ostseeforschung: https://www.io-warnemuende.de/
Thünen-Institut für Ostseefischerei: https://www.thuenen.de/de/of/

Presseinfo GEOMAR:
https://www.geomar.de/news/article/kein-nachwuchs-bei-dorsch-und-hering

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