BUND Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Was steckt hinter NSGBefV?

Rechtstexte sind selten auf den ersten Blick verständlich:

Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in bestimmten Naturschutzgebieten (Naturschutzgebietsbefahrensverordnung - NSGBefV

Es geht um den Schutz von Naturschutzgebieten (NSG), die innerhalb von Bundeswasserstraßen liegen. In NSG wird durch Ge- und Verbote geregelt, was Menschen hier tun dürfen, damit die Gebiete einen besonderen Schutz z.B. für bestimmte Arten bieten. So gilt meistens "Bitte auf den Wegen bleiben". Sie sind die strengste Art von Schutzgebieten für die Natur in Deutschland. Im Bereich der Bundeswasserstraßen dürfen allerdings die lokal und fachlich zuständigen Naturschutzbehörden keine Regelungen erlassen. Diese müssen durch das Bundesministerium für Verkehr erlassen werden.

Die NSGBefV gibt es bereits seit 1987 für Naturschutzgebiete auf den Bundeswasserstraßen-West. Nach der Wende hat es lange gedauert, aber am 26.10.2015 wurden zehn schon lange bestehende NSG auf den Bundeswasserstraßen-Ost ergänzt. Der lange rechtlich nicht eindeutig geregelte Schutz der Gebiete ist damit zu ausführbarem Recht geworden.

Sperrung oder Schutzzone?

 

Die ganze Insel Kaninchenwerder soll gesperrt werden!? 


Die ganze Insel ist seit 1935 gesperrt!
Bereits die Verordnung vom 27.08.1935 enthält eine 100-Meter-Schutzzone. Zu DDR-Zeiten wurde das Befahrensverbot rechtlich nicht durchgesetzt. Im Gegenteil, man funktionierte Naturschutz zu Naherholung um. 60.000 - 90.000 Besucher pro Saison besuchten die Insel. Es gab keine Sperrtonnen um das Naturschutzgebiet,
dafür freie Fahrt für "eingesperrte" Bürger!
Heute ist Naturerlebnis auf der Insel ausdrücklich gewollt und auch möglich. Wer die Schönheit der Natur nicht kennt, wird sie nicht schützen. Unverträglich hohe Besucherzahlen oder gar Massentourismus im Naturschutzgebiet gefährden jedoch die Schutzziele.

Erinnerung

1989 war die Wende!!

Ein breites Umweltbewußtsein entwickelte sich nun auch in den neuen Bundesländern,
leider mit gewissen Einschränkungen. So blieb auf dem Schweriner See alles beim Alten.
Die Naturschutzgebiete wurden befahren wie eh und je. Als die ersten notwendigen Maßnahmen (F+E 2001) gegen die zunehmenden Störungen durch die Freizeitschifffahrt geplant wurden, gingen die "Alteingesessenen" auf die Barrikaden und da stehn sie heute noch, obwohl sie größenteils von den Störungen selbst betroffen und Hauptnutznießer der noch intakten Natur sind.

Umweltbewusstsein?

Umweltbewusstsein in Deutschland 2012, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB):

Umweltschutz als zweitwichtigste politische Aufgabe Deutschlands

Naturbewusstseinsstudie 2013, Bundesamt für Naturschutz (BfN):

83% der Deutschen ärgert der sorglose Umgang mit der Natur

Was geschieht an und auf den Schweriner Seen:

In Schwerin ist Umweltschutz zweitletzte politische Aufgabe!

Naturschutz

Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) - vom 29.07.2009
Naturschutzausführungsgesetz M-V (NatSchAG M-V) - vom 23.02.2010

§ 23 Naturschutzgebiete

Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist

1.   zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,

2.   aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder

3.   wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit.

 

(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

§ 30 Gesetzlich geschützte Biotope
(1) Bestimmte Teile von Natur und Landschaft, die eine besondere Bedeutung als Biotope haben, werden gesetzlich geschützt.

(2) Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung von Biotope führen können, sind verboten.

Netz „Natura 2000

§ 31 Aufbau und Schutz des Netzes „Natura 2000“
§ 32 Schutzgebiete
§ 33 Allgemeine Schutzvorschriften

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig.

Die Insel zwischen Schutz und Störung

Naturschutz, Biotope, Bruthabitate, Störungen

Bild 1 zeigt angemessenen vollziehbaren Schutz für das Ökosystem der Insel zur Abwehr massiver Störungen durch die Freizeitschifffahrt. Im Einklang mit den Schutzzielen ist Naturerlebnis über 3 Hafenanlagen, 80 Meter Badestrand und ein weitläufiges Wegenetz über die Insel gegeben. Zudem laden Gastronomie und ein Aussichtsturm mit Naturausstellung und Rundblick zum Verweilen ein.

In Bild 2 werden die vielfältigen gesetzlich geschützten Biotope (§) der Insel aufgezeigt. Ein großer Teil davon sind besonders wertvolle Bereiche (BWB).

Bild 3 gibt einen Überblick zu den zahlreichen Bruthabitaten der ansässigen Wasservogelarten wieder und kennzeichnet rot die Gebiete 1-3, die massiv gestört werden, wenn es zu Sonder-regelungen für die Befahrung für die Freizeitschifffahrt kommen sollte.

Bild 4 zeigt die sog. "alte Befahrensregelung" als gewünschte Sonderregelung seitens der Initiative Schweriner Seen und Umland (ISSU) mit einem unverträglichen Störpotential für das Ökosystem der Insel. Vier Buchten von einigen hundert Quadratmetern sind Objekt der Begierde. Der Rest des zweitgrößten Binnensees Nordeutschlands und viertgrößten Binnensees Deutschlands, einschließlich weiterer verbundener Gewässer im Revier stehen den Freizeitbootfahrern (Wassersportlern) zur uneingeschränkten Ausübung ihres Freizeitvergnügens zur Verfügung. Der Rest, das sind über 61 Quadratkilometer oder 6.100 Hektar Wasserfläche mit gut 100 Kilometer Seeufer.

Alarmierende Fachaussagen und die folgerichtigen Maßnahmen

2001/2002

Abstand nach sog. "alter Befahrensregelung" völlig unzureichend

Endbericht zur Brut- und Rastvogelkartierung Schweriner See 2001/2002 -  Textteil

i.A. der Landeshauptstadt Schwerin (FKZ 801 87100 k1)

S. 21

Die vorhandene Befahrensregelung für die Inseln Kaninchenwerder und Ziegelwerder, nach der ein Abstand von nur wenigen Metern zum Schilfröhricht eingehalten werden braucht, muss unter der Berücksichtigung der Ziele für die Naturschutzgebiete als völlig unzureichend angesehen werden. So ist beispielsweise nach verschiedenen Untersuchungen bekannt, dass bei der Tafelente Aythya ferina und Reiherente Aythya fuligula häufigere Annäherungen von Menschen (z. B.  frei sichtbar in Booten) an das Nest ab 50 m zu Brutausfällen führen (PUTZER 1985). Um den Wasservogelarten in den Röhrichten der Inseln Kaninchenwerder und Ziegelwerder eine Ansiedlungschance und einen gesicherten Bruterfolg zu ermöglichen, sollte eine Abstandsregelung von 150 m zu den Röhrichten durchgesetzt werden (vgl. Kap.

7.1). Darüber hinaus sollten die Buchten an der Westseite des Ziegelwerders für jeglichen Bootsverkehr gesperrt werden.

Bootszählung am Samstag, den 17.08.2002 (Karte: SALIX)

2007

Störpotential durch Boote gravierend - keine Wiederbesiedlungsmöglichkeit für Wasservogelarten

Ornithologischer Rundbrief Band 45 - 2007
Die renommierten Ornithologe Dr. Scheller, Schieweck und Dr. Zimmermann weisen in ihren Fachbeitrag "Die Schweriner Seen – ein bedeutendes Wasservogelrefugium in Mecklenburg-Vorpommern", Ornithologischer Rundbrief für Mecklenburg-Vorpommern, Band 45, Sonderheft 2, 2007, für die Insel Kaninchen- und Ziegelwerder auf ähnlich hohe Belastungen durch vorbeifahrende, anlandende oder in unmittelbarer Nähe des Röhricht-gürtels ankernde Boote hin. Sie bewerten die Möglichkeiten einer Ansiedlung von Wasservogelarten an den schmaler als vor der Insel Ziegelwerder ausgeprägten, weniger Deckung bietender Schilfröhrichtgürtel der Insel Kaninchenwerder und das bedingt sehr hohe Störungspotenzial durch den Bootsverkehr als gravierend.

2011

Ergebnisse der Brut‐ und Rastvogelkartierung 2010 im EU‐Vogelschutzgebiet Schweriner Seen Teilgebiet Schweriner Innensee / Ziegelaußensee

SALIX‐Kooperationsbüro für Umwelt‐ und Landschaftsplanung / Dr. W. Scheller (Teterow)

9. Zusammenfassung

Da der Bootsverkehr auf den Seen der Hauptstörfaktor von brütenden und rastenden Vogel‐

arten ist, sollten bei geplanten Neuzulassungen von Bootsliegeplätzen (unter Voraussetzung

einer grundsätzlichen FFH‐Verträglichkeit) unbedingt schadensbegrenzende Maßnahmen

durch die Einrichtung geeigneter Wasservogelschutzzonen  eingefordert werden.

2015
Nachweis der Intensität der durch Wasserfahrzeuge verursachten Störungen:

JetskiDoku der BUND-Gruppe Schwerin 533 Störereignisse durch den Wassermotorsport in der Saison 2015 1561 Störereignisse in 2016

Darstellung eines annähernden Bildes der Störungen, die durch Freizeitbootfahrer in unmittelbarer Nachbarschaft der Naturschutzgebiete Döpe, Ramper Moor, Kaninchenwerder und Großer Stein, Ziegelwerder, Görslower Ufer, sowie am Rande einer Vielzahl gesetzlich geschützter Biotope als auch in den Landschafts- und EU-Vogelschutz-gebieten der Schweriner Seen verursacht werden.

2015

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für eine Zweite Verordnung zur Änderung der Naturschutzgebietsbefahrensverordnung (03.02.2015)
Begründung der Notwendigkeit eines generellen Befahrensverbotes für Naturschutzgebiete wegen der fast ausschließlichen Befahrung durch die Freizeitschifffahrt, wodurch zunehmend die Lebensräume störungsempfindlicher Tiere und Pflanzengemeinschaften insbesondere durch Lärm, Wellenschlag und Vertritt empfindlich gestört werden.

Die folgerichtige Maßnahme im Oktober 2015:
Inkrafttreten der geänderten Naturschutzgebietsbefahrensverordnung (NSGBefV).

Bild 1: Die Boote werden immer größer (Foto: BUND)

Bild 2: Anlegen naturverträglich (Foto: BUND) 

Bild3: Ankern unmittelbar am Schilf (Foto: BUND) 

 

Natur-un-verträgliche Nutzungen: Befahrung der 100-Meter-Schutzzonen von Naturschutzgebieten

Das ISSU-Konzept vom Herbst 2014:

Ansätze für die naturgerechte Nutzung zwischen Wassersport und Naturschutz!?

Wer fordert diese natur-un-verträglichen Nutzungen?

  • Die Initiative Schweriner Seen und Umland (ISSU)
  • Vertreter der Tourismusbranche
  • Vertreter einiger Wassersportvereine

Die Forderungen:

  1. Befahrung ausgewählter Bereiche von Schutzzonen der Naturschutzgebiete des Schweriner Sees.
  2. Teilweise Auslösung wasserseitiger Flächen aus Naturschutzgebieten zum Baden und Ankern.

Grund der Forderungen:

Aufrechterhaltung alter Befahresprivilegien auf Grund nicht vollzogenen Naturschutzrechtes aus DDR- und Nachwendezeit.

Wirkung bei jetziger Realisierung:

Akute Gefährtung nationaler und internatinaler Schutzziele für Vogel- und Naturschutzgebiete der Schweriner Seen, in Fortführung der jährlich kontinuierlichen Zunahme von Störungen durch den Freizeitmotorbootsport.
Die Hauptstörquelle Freizeitmotorbootsport wird seit 15 Jahren (2001) durch renomierte Ornithologen angezeigt. Seitdem werden Gegenmaßnahmen gefordert.

Naturschutzrechtliche Bedeutung:

Grober Verstoß gegen geltendes Naturschutzrecht

§ 23 Naturschutzgebiete - Nachhaltige Störungen sind verboten!
§ 30 Gesetzlich geschützte Biotope - Erhebliche Beeinträchtigungen sind verboten!
§ 31 Aufbau und Schutz des Netzes „Natura 2000“
§ 32 Schutzgebiete - Erhebliche Beeinträchtigungen sind unzulässig!
§ 33 Allgemeine Schutzvorschriften

Ist die ISSU, wie behauptet, der Vertreter von 70% der Schweriner Wassersportler und 45.000 Betroffener?

Im Rahmen der Managementplanung wurde die ISSU am 24.11.2014 vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg aufgefordert, in einer Liste die durch sie vertretenen Wassersportvereine und Verbände zu kennzeichnen.Bis heute wurde nicht ein Vertretungsmandat nachgewiesen!


Die ISSU hat Verbindungen zu 10 von 109 im Raum Schwerin eingetragenen Wassersportorganisationen


Sind die 70% aller Wassersportler diejenigen, die sich für die Befahrung und somit für die Störung von Naturschutzgebieten einsetzen, obwohl sich die Vereine in ihren Satzungen zur Bewahrung von Natur und Umwelt verpflichten, welche ihnen zur Freizeitnutzung anvertraut werden?


Die ISSU, als eine Minderheit von Freizeitbootfahrern, welche nicht die Meinung der Bevölkerungsmehrheit bezüglich der wasserseitigen Befahrung von Naturschutzgebieten vertritt, ist zur Zeit bemüht, Vertretungsmandate nachzuweisen.
Nach ihren Angaben lassen sich zur Zeit 60 Vereine von ihnen vertreten.

Stimmen alle Mitglieder dieser Vereine einer wasserseitigen Befahrung von Naturschutzgebieten zu?

Der Befreiungsantrag

Die wasserseitige Befahrung eines Naturschutzgebietes kann nach geltendem Befahrensverbot laut NSGBefV nur über einen Befreiungsantrag nach § 5 der  Verordnung erfolgen, in dem das gesellschaftliche Interesse oder ein Härtefall nachzuweisen ist.
Die wörtliche Begründung zu einem Befreiungsantrag hat die Stadt Schwerin geliefert.
Die naturschutzfachlichen Unbedenken haben die Umweltbehörden geliefert.

Die Vereinbarkeit zwischen Begründung und Schutzzielen der betroffenen Naturschutzgebiete prüfte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Magdeburg.
Am 13. Juni 2016 kam die Antwort vom WSA Lauenburg:
Die Stadt Schwerin hatte in ihrem Antrag einen besonderen  Härtefall begründet, in dem sie versuchte, eine Verschlechterung der Bedingungen für's Angeln, Baden und Ankern nachzuweisen.
Das WSA Lauenburg betonte, daß Befahrensverbote zu Einschränkungen führen und nicht die Zustimmung aller findet. Die Deutlichkeit einer Verschlechterung für die Wassersportler ließe sich aber nicht erkennen.
Daher war der Antrag auf Befreiung vom Befahrensverbot zu versagen.

Handeln im Sinne der Schutzziele

Handeln diejenigen, die unbedingt in ein unter besonderem Schutz stehendes Gebiet aus purem Freizeitinteresse fahren möchten, im Sinne der Schutzziele von Naturschutzgebieten

wie der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,

oder im Sinne von

Schutz der Natur wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit?

Also im Sinne des
Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) - vom 29.07.2009
§ 23 Naturschutzgebiete ?

Erklärungsbedarf

Warum werden die, die Sondergenehmigungen für das Befahren unter besonderem Schutz stehender Gebiete erwirken wollen, von der Administration einer Stadt und von lokalen  Naturschutzbehörden unterstützt? Es geht hier um Sondergenehmigungen gegen gesellschaftlich vereinbarte und gesetzlich verankerte Naturschutzziele. Warum werden im gleichen Zuge Umweltschutzorganisationen herausgefordert und zugleich verpönt, wenn sie gezwungen sind, den mehrheitlich gesellschaftlich geforderten und gesetzlich verankerten Schutz von Naturschutzgebieten gegen die Interessen von Minderheiten im Notfall einklagen zu müssen?Das erkläre uns mal jemand! 

Rotmilan


 

Gänsesäger (Strache)


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